Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
Éanna«, sagte er und drückte es ihr in die Hand. »Es tut mir leid, dass du wegen mir noch einmal diese entsetzliche Zeit durchleben musst. Ich wünschte, ich könnte es dir ersparen. Und vielleicht wäre es besser, wenn wir …«
»Nein, Ihr sollt alles wissen. Das habe ich Euch versprochen und so will ich es Euch auch erzählen«, fiel sie ihm schluchzend ins Wort und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. In ihrem tiefen Kummer übersah sie, dass das Taschentuch aus edlem spitzengesäumtem Batist war. »Gebt mir nur einen Augenblick, damit … damit ich mich wieder fassen und … und weitererzählen kann.«
»Nimm dir so viel Zeit, wie du möchtest, Éanna«, sagte er voller Mitgefühl. »Ich wünschte, ich könnte mehr für dich tun und dich deinen Schmerz vergessen lassen. Aber ich weiß, dass nichts diese Art von Kummer aus der Welt schaffen kann.«
Éanna saß mit gesenktem Kopf im Sessel, schnäuzte sich und presste das Taschentuch auf ihre Augen, doch die Tränen mochten sich nicht stillen lassen. Deshalb entging es ihr auch, mit welch sehnsüchtigem Blick Patrick sie ansah und wie er mit einer zögerlichen Bewegung die Hand nach ihr ausstreckte.
Und dann strich er ihr ganz sanft über das Haar. Es war eine sehr scheue, fast unmerkliche Berührung. Seine Fingerspitzen übten so gut wie keinen Druck aus. Dennoch lag eine große Zärtlichkeit in ihnen.
Für einige wenige Sekunden, die Éanna wie eine Ewigkeit erschienen, saß sie reglos da und ließ es geschehen – dankbar für das warme Gefühl der Verbundenheit, das sie bei seiner Berührung verspürte.
Dann jedoch erschrak sie über sich selbst und das, was er soeben in ihr geweckt hatte, das nicht sein durfte, und ihr Herz begann wild zu schlagen. Die Hitze der Verlegenheit und Beschämung stieg ihr ins Gesicht. Abrupt hob sie den Kopf, entzog sich dabei seiner Hand, die sofort zurückfuhr, und bemerkte jetzt erst, was für ein kostbar zartes Gewebe sie da in der Hand hielt.
»Oh mein Gott, das … das hättet Ihr mir nicht geben dürfen!«, rief sie betroffen und zugleich doch auch dankbar dafür, dass sie den Aufruhr in ihr hinter Bestürzung verbergen konnte. »Jetzt habe ich Euer kostbares Tuch beschmutzt!« Verlegen starrte sie auf den Stoff. Ihm das Tuch einfach wieder in die Hand zu drücken, erschien ihr in höchstem Maß ungehörig.
»Ach was, mach dir doch jetzt darüber keine Gedanken!«, beruhigte er sie. »Es ist doch nur ein Taschentuch. Behalte es nur.«
»Nein, das kann ich nicht!«, entgegnete sie erschrocken. »Nur ein Taschentuch? Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt! Ich kann unmöglich so etwas Kostbares annehmen! Wer mich damit sieht, müsste glauben, ich hätte es gestohlen.«
»Ich bestehe aber darauf, Éanna!«, erwiderte er, korrigierte sich jedoch im nächsten Moment. »Besser gesagt, es würde mich freuen, wenn du mir erlaubst, dir damit ein kleines Geschenk zu machen. Es ist letztlich doch nur eines von diesen toten Dingen.« Er zwinkerte ihr dabei zu.
Sie zögerte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie etwas so Wunderschönes und Kostbares besessen und die Verlockung, es nun behalten zu dürfen, war groß.
»Bitte, weise mein bescheidenes Geschenk nicht zurück!«, bat er eindringlich.
»Ist es Euch denn auch wirklich ernst damit?«, fragte sie, noch immer zweifelnd, ob sie ein solches Geschenk wirklich guten Gewissens annehmen durfte.
»Ja, es … es würde mir viel bedeuten, wenn du es annimmst, Éanna!«, versicherte er. »Und nun steck es endlich ein!«
Da gab sie ihren Widerstand auf. »Nur weil Ihr darauf besteht, Patrick«, murmelte sie, was jedoch mehr der Beruhigung ihres Gewissens diente als an ihn gerichtet war. »Und dabei stehe ich auch so schon genug in Eurer Schuld, für all das, was Ihr für mich und für Emily und Caitlin getan habt.«
Die Erwähnung ihrer beiden Gefährtinnen, die er zusammen mit ihr vor dem Gefängnis bewahrt hatte, bewirkte, dass er sich mit der Hand an die Stirn fuhr. »Mein Gott, ich habe ja ganz vergessen, dich zu fragen, ob du inzwischen Arbeit gefunden hast!«
Nicht ohne Stolz teilte Éanna ihm mit, dass sie und Emily inzwischen in Lohn und Brot standen und sich eine Unterkunft in der Ash Street teilten.
»Das freut mich. Aber es hätte mir wirklich nichts ausgemacht, dafür zu sorgen, dass ihr noch länger im Journey’s End logieren könnt.«
»Eure Großherzigkeit ehrt Euch, Patrick«, erwiderte sie. »Aber so ist es mir lieber und Emily auch. Wir haben gottlob
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