Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
geworfen hat, traue ich ihm nicht mehr!«
»Der wird schon sein blödes Maul halten, darauf kannst du Gift nehmen! Ich werde dafür sorgen, dass er weiß, was ihm blüht, wenn er uns verpfeift!«, stieß Delaney grimmig hervor.
»Und wie?«
»Ganz einfach, wir schicken ihm einen Whiteboy«, antwortete Delaney und stiefelte die Treppe hinunter. »Dann wird er wissen, dass mit uns und unseren Freunden nicht zu spaßen ist. Ich denke doch nicht daran …« Seine Stimme und die von McGraw verhallten im Treppenhaus.
Éanna fuhr ein gehöriger Schreck in die Glieder, als sie das Wort »Whiteboy« hörte. In Irland wusste jedes Kind, was ein Whiteboy war. Es handelte sich um einen Mann, der einer rebellischen Geheimorganisation angehörte, sich das Gesicht geschwärzt hatte und ein weißes Kleid trug. Derjenige, den er nachts besuchte, wusste, dass er eine Warnung erhalten hatte. Eine Warnung, die er besser ernst nahm, wenn ihm etwas an seinem Leben lag.
Und so einen Whiteboy wollte Delaney Patrick schicken!
Éanna rief sich die Worte der Männer ins Gedächtnis. Worum war es bei dem Streit gegangen? Lag die Vermutung nicht nahe, dass Patrick in irgendeinen Plan aufständischer Iren verwickelt war? Vielleicht auch ohne sein aktives Zutun, ja ohne sich dessen vielleicht bewusst gewesen zu sein. Aber das machte die Angelegenheit für ihn nicht weniger gefährlich.
Mehrere Minuten lang verharrte sie auf dem Treppenabsatz und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Es schien ihr ratsamer, sich wieder davonzuschleichen. Denn gewiss hatte er jetzt Wichtigeres zu bedenken, als sich ihre Geschichten anzuhören. Doch dann erinnerte sie sich an die vergangene Nacht und sie wusste, dass sie nicht anders konnte, so ungünstig der Zeitpunkt auch sein mochte! Schließlich stieg sie die Treppe wieder hinunter und klopfte schließlich doch an seine Tür.
Als Patrick auf ihr Klopfen hin die Tür öffnete und Éanna sein zorngerötetes Gesicht sah, erschrak sie und bereute ihren Entschluss sofort. Wenn sie doch wenigstens eine Stunde hätte verstreichen lassen! Aber das hätte ihr vor dem Klopfen einfallen müssen!
»Was zum Teufel …!«, stieß er aufgebracht hervor, brach jedoch mitten im Satz ab, als er sah, wer ihm da einen Besuch abstatten wollte. »Éanna? … Was tust du denn hier?« Er klang nicht gerade abweisend, aber auch längst nicht so freundlich wie sonst.
»Entschuldigt … ich … ich komme Euch wohl sehr … ungelegen! Es … es war wirklich dumm von mir, einfach … einfach so bei Euch hereinzuplatzen.« Sie stammelte vor Verlegenheit. »Verzeiht, ich gehe wohl besser wieder.« Damit wandte sie sich zum Gehen.
»Um Himmels willen, nein! Bleib!«, rief er und erwischte sie gerade noch rechtzeitig am Arm, um sie festzuhalten und ihr zu versichern: »Du kommst mir nie ungelegen, Éanna! Das müsstest du doch längst wissen! Und entschuldige meinen barschen Ton. Ich dachte, es wäre jemand anderes, den ich so sehr zum Teufel wünsche, wie ich deine Gesellschaft schätze wie keine andere! Und jetzt komm schon herein.«
»Wenn Ihr wirklich meint, dass ich Euch nicht bei wichtigeren Dingen störe …«, murmelte sie.
»Für dich habe ich immer mehr als nur einen Augenblick Zeit«, sagte er und hielt noch immer ihren Arm, als wollte er sichergehen, dass sie ihm nicht davonlief. »Ich wünsche jeden Sonntag, du würdest länger bleiben, falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. So, und nun lass dich nicht länger hereinbitten.« Mit diesen Worten zog er sie sanft zu sich in die Wohnung, schloss die Tür und gab Éanna dann erst frei.
Als er ihr den Mantel abnehmen wollte, schüttelte sie den Kopf. »Danke, aber das ist nicht nötig. So lange wird es nicht dauern.«
Er machte ein enttäuschtes Gesicht. »Und ich dachte schon, du würdest etwas Licht und Freude in einen Tag voller Widerwärtigkeiten bringen«, bedauerte er. »Aber lassen wir das. Sag also, was dich so unverhofft zu mir bringt. Irgendetwas wirst du doch auf dem Herzen haben.« Und mit einem etwas schiefen Lächeln fügte er hinzu: »Wenn es nicht daran liegt, dass du mich unbedingt noch vor dem nächsten Sonntag wiedersehen willst.«
Éanna nahm all ihren Mut zusammen. »Ich bin gekommen, weil ich mir keinen anderen Rat weiß, als Euch um Hilfe zu bitten«, begann sie und berichtete ihm hastig, welche Sorge sie umtrieb und was sie sich für ihre Freundin erhoffte. »Ich weiß, wie ungehörig es ist, Euch nach allem, was Ihr schon für uns getan
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