Eanna - Stürmische See - Éanna ; [2]
auch für Brendan Kleidung zum Wechseln. Dazu kamen zwei Teller und Becher aus festem Blech, zwei Töpfe, eine Pfanne, zwei solide Messer, Gabeln und Löffel, Näh- und Flickzeug und noch einiges andere. Um nicht alles einzeln schleppen zu müssen und es an Bord auch gut unter Verschluss zu haben, kauften sie gleich am ersten Tag eine große Blechkiste, die innen mit Latten verstärkt war und deren Inhalt sich durch ein Vorhängeschloss vor Dieben schützen ließ. Sie würden sich erst am Tag ihrer Abreise zwei mit Stroh gefüllte Säcke für die Kojen kaufen müssen, denn davon wurden auf den Kais bei den Anlegestellen der Auswandererschiffe jederzeit genügend angeboten.
Die Kiste und all ihre anderen Einkäufe brachten sie zu Mister Lahiffe, der sich gegen ein kleines Entgelt bereit erklärte, ihr Hab und Gut bis zur Abreise in seinem Schuppen in Verwahrung zu nehmen. Denn Brendan hielt es für zu gefährlich, die Sachen so lange in Aidans Kellerloch aufzubewahren. Und die Kammer in der Ash Street erschien ihnen auch nicht sicher genug.
Die Woche verging über all den vielen Besorgungen und Dingen, die es vor der Abreise zu bedenken gab, wie im Flug. Éanna war froh darüber – denn so hatte ihr schlechtes Gewissen keine Gelegenheit, sich bohrend zu Wort zu melden. Fast glaubte sie schon selbst an das Lügenmärchen mit der Weste und dem Fund. Doch dann kam der Sonntag. Und Éanna wusste, dass Patrick sie zum allerletzten Mal in der Dorset Street erwartete.
»Wie schön, dass du mich noch besuchen kommst, Éanna«, sagte Patrick. Er hatte ihr sofort die Tür geöffnet, als ob er sie ein letztes Mal direkt dahinter erwartet hätte. In seinen Augen leuchtete es, doch ein trauriger Zug hatte sich um seine Mundwinkel eingegraben.
Es ist das letzte Mal, beschwor sich Éanna insgeheim und zwang sich zu einem Lächeln. Jetzt werden sich unsere Wege endgültig trennen. Und dreitausend Meilen Ozean sind eine gute Gewähr dafür, dass wir uns nie wieder begegnen würden.
Wie kam es nur, dass sie nicht froh sein konnte?
»Ich hatte schon befürchtet, du wärest mittlerweile schon auf hoher See«, brach Patrick ihr Schweigen.
»Das nächste Schiff, für das wir Tickets bekommen konnten, war die Metoka und die läuft frühestens am Mittwoch aus«, erklärte sie und sah die großen Lücken in den Bücherregalen hinter ihm. Auch war sein Schreibtisch völlig leer geräumt.
»Also noch drei Tage bis zum großen Schritt in ein neues Leben«, sagte er mit einem Lächeln, dem aller Spott und Übermut fehlte, den sie so an ihm gemocht hatte. »Du wirst es sicherlich nicht erwarten können, Dublin hinter dir zu lassen.«
»Dublin schon, aber nicht unbedingt meine Heimat«, erwiderte sie zögernd. »Es hat ja seine guten Gründe, warum wir auswandern.«
»Natürlich, von diesen Gründen hast du mich mehr als überzeugt an den letzten Sonntagnachmittagen, an die ich noch oft denken werde«, sagte er wehmütig.
»Ich doch genauso, Patrick«, entfuhr es ihr unwillkürlich und sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
Nimm dich zusammen, Éanna, beschwor sie sich.
Er blickte auf. »Nun, das versöhnt mich ein ganz klein wenig damit, dass die Sonntage von nun an für mich sehr öde sein werden«, sagte er mit weicher Stimme. »Die Sonntage, an denen du nicht mehr bei mir sein wirst.«
»Das ist für uns beide auch gut so.« Sie wusste nicht, woher plötzlich die harschen Worte gekommen waren, aber sie sah, wie sie ihn trafen.
Er blickte sie schmerzerfüllt an und schüttelte dabei den Kopf. Dann wandte er sich schnell ab und trat zum Sofa, auf dem ein mit fester Kordel verschnürtes Paket lag.
»Das hier sind die Bücher, die ich dir versprochen habe. Es ist eine sechsbändige Gesamtausgabe der Werke von Sir Walter Scott. Es sind sehr schöne, in Leder gebundene Bände mit Goldschnitt, die einiges wert sein dürften, zumal ihre Seiten noch nicht aufgeschnitten sind«, erklärte er.
»Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr sie wirklich entbehren könnt?« Éanna war froh über die Ablenkung. Die Bücher gaben ihnen die Gelegenheit, das Gespräch wieder auf ungefährliche Bahnen zu lenken.
»So sicher, wie ich dich nicht vergessen werde, Éanna. Als mein Onkel sie mir vor einigen Jahren zu Weihnachten zum Geschenk gemacht hat, war es ihm wohl entfallen, dass er mich schon zu Beginn meiner Oxford-Zeit mit genau demselben Präsent beehrt hatte.« Patrick lachte und plötzlich klang wieder etwas von seinem alten Ich durch,
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