EB1021____Creepers - David Morell
vorgegangen
ist. Und manchmal lassen sie diese Energie wieder ab, wie die
Gefühle, die in diesem Koffer gesteckt haben.«
»Rick?«, sagte Cora plötzlich. Sie rieb sich immer noch die
Arme. »Was?«
»Tu mir einen Gefallen. Geh ins Bad.«
»Ins Bad? Warum um alles in der Welt denn das?«
»Geh rein und wirf einen Blick in die Wanne. Vergewisser
dich, dass nicht noch eine Leiche da drin ist, dass sich nicht
jemand da drin die Adern aufgeschnitten oder Pillen genom‐
men hat oder so…«
Rick musterte sie; dann berührte er ihre Hand. »Klar. Alles,
was du willst.«
Balenger sah zu, wie Rick sich von seinem Licht den Weg
zurückführen ließ, den sie gekommen waren, und dann ins
Bad ging. Die Stille zog sich in die Länge, nur unterbrochen
von dem Rasseln der Ringe an der Stange eines Duschvor‐
hangs. »Rick?«, fragte Cora. Es blieb noch einen Augenblick
lang still. »Nichts«, sagte er schließlich. »Leer.«
»Gott sei Dank. Tut mir leid«, sagte Cora. »Es ist mir richtig
peinlich, dass ich mich so gehen lasse. Als ich ein Kind war,
hatte ich eine Katze, die unmittelbar vor unserem Umzug von
Omaha nach Buffalo verschwunden ist. Sie hieß Sandy. Sie hat
den größten Teil des Tages damit verbracht, auf meinem Bett
zu schlafen. An dem Tag, an dem wir umgezogen sind, habe
ich überall nach ihr gesucht. Nach mehreren Stunden hat mein
Dad schließlich gesagt, wir müssten jetzt einsteigen und los‐
fahren. Wir hatten eine zweitägige Fahrt vor uns, und er hat
gesagt, wir dürften nicht noch mehr Zeit verlieren – er hatte
einen neuen Job in Buffalo und durfte nicht zu spät dort auf‐
tauchen. Er hat die Nachbarn gebeten, nach Sandy Ausschau
zu halten und es uns wissen zu lassen, wenn sie sie fänden. Er
hat ihnen versprochen, er würde ihnen die Kosten dafür ers‐
tatten, uns die Katze zu schicken. Zwei Wochen später, als ich
ein paar von meinen Spielsachen ausgepackt habe, habe ich
Sandy in einer Kiste gefunden, in die sie gekrochen war. Sie
war tot. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ausgetrocknet ihr
Körper war. Sie ist erstickt – in einer Hitze von ungefähr fünf‐
zig Grad, die sich in dem fahrenden Möbelwagen entwickelt
haben muss. Einen Monat später haben meine Eltern mir ge‐
sagt, sie würden sich scheiden lassen.« Cora machte eine Pau‐
se. »Als ich den toten Affen in dem Koffer gesehen habe… Ich
möchte hier nicht den Eindruck erwecken… Es wird nicht
wieder passieren.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken«, sagte Vinnie. »Mit
mir ist die Fantasie auch ziemlich durchgegangen. Ich
wünschte, ich hätte uns nie hier reingeschleift.« Cora lächelte.
»Ganz der Gentleman, wie immer.«
17
Nachdem sie das Hotelzimmer verlassen hatten, schloss Vin‐
nie die Tür hinter ihnen. Balenger stand dem Rest der Gruppe
gegenüber; die Stirnlampe an seinem Helm zeigte ihm Vinnie
und Rick nebeneinander. Vinnie war dünn, mit leicht abfal‐
lenden Schultern und angenehmen, aber weichen Gesichtszü‐
gen, während Rick den soliden Körperbau eines Athleten hatte
und ausgesprochen gut aussah. In Anbetracht der Tatsachen
war ohne weiteres zu verstehen, warum Cora sich für Rick
entschieden hatte, dachte Balenger. Ebenso offensichtlich war,
dass Vinnie Cora immer noch mochte. Zweifellos war das ei‐
ner der Gründe, warum er auf diese Expeditionen mitgekom‐
men war.
Sowohl Vinnie als auch der Professor sahen zu Cora hinü‐
ber, als Rick ihre Schulter streichelte. Was in dem Zimmer ge‐
schehen war, machte ihm sichtlich zu schaffen. In dem harten
Licht wirkte sein Gesicht grimmig; sein Blick glitt zurück zu
der Zimmertür. »Das Foto scheint draußen auf der Promenade
aufgenommen worden zu sein.« Ricks Stimme klang anges‐
pannt, als er in Worte zu fassen versuchte, was ihn beschäftig‐
te. »Ich frage mich, ob die Frau hergekommen ist, um die
Erinnerung an glücklichere Zeiten aufzufrischen. Der wahr‐
scheinlichste Zeitpunkt dafür wäre gewesen, als der Kummer
noch ganz frisch war, direkt nach dem Tod ihres Exmannes,
nicht erst ein paar Jahre später, als der Schock abgeflaut war.«
»Eine sehr glaubwürdige Annahme«, sagte der Professor.
»Sagen wir also 1966 oder spätestens 1967.«
»Auch das ist plausibel.«
»Carlisle ist 1971 gestorben. Der Koffer hat davor minde‐
stens vier Jahre lang auf dem Bett gelegen. Professor, Sie ha‐
ben gesagt, Carlisle hatte Gucklöcher und versteckte Gänge,
mit deren
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