EB1021____Creepers - David Morell
verhaftet werden.«
Vinnie versuchte es mit einem weiteren Plan. »Und wie wä‐
re es damit? Die Entrümpelungsfirma kommt am Montag. Die
werden uns hier rausholen. Wir brauchen nichts weiter zu tun,
als einen Tag lang zu warten.«
»Ronnie kann uns noch eine Menge Überraschungen berei‐
ten, wenn wir ihm einen Tag lang Zeit lassen. Ich hab’s doch
schon mal gesagt, wenn wir passiv werden, verlieren wir.«
»Was sollen wir also machen?«
Störgeräusche ertönten knackend aus den Funkgeräten. »Er
versucht, mich zum Reden zu bewegen.« Balenger sprach sehr
leise. »Er hofft, er wird meine Stimme hören, damit er etwas
hat, auf das er schießen kann.«
»Das könnte aber auch anders herum funktionieren«, mur‐
melte Amanda. »Wenn du ihn reden hörst, kannst du auf ihn
schießen.«
Balenger kämpfte mit sich. »Erzähl mir mehr von diesem
Dreckskerl. Hat er gelogen, als er…«
»Er hat mich nie angerührt.« Amanda schauderte. »Er hat
mich immer mit einer entsetzlichen Höflichkeit behandelt. Ich
hatte das Gefühl, dass etwas sich in ihm aufstaut und dass er
dagegen ankämpft. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe,
als er mir das Nachthemd gebracht hat – da war er nicht mehr
höflich. Er hat gebrüllt. Er hat mit Gegenständen geworfen
und hat mich eine Schlampe und Hure genannt. Es war, als ob
er mich dafür hasste, dass er erregt war.«
Das Rauschen aus dem Funkgerät schien Balenger zu ver‐
höhnen. Er schaltete Vinnies Gerät aus, drehte die Lautstärke
an seinem eigenen herunter, hob es an die Lippen und drückte
auf die Sendetaste. Er hielt die Stimme gesenkt. »Ich verstehe
nicht ganz, warum du unterschiedliche Namen verwendest,
Ronnie. Warum nennst du dich ›Walter‹?« Rauschen.
»Ist dein Familienname wirklich Harrigan?« Balenger wagte
nicht, allzu lang an ein und demselben Ort zu bleiben. Er ging
ins Esszimmer. Dort flüsterte er in das Funkgerät: »Ronnie,
wie heißt du mit Familiennamen?« Keine Antwort. »Wie heißt
du mit –«
»Carlisle«, sagte die Stimme.
Amanda und Vinnie gingen in die Hocke und versuchten
herauszufinden, wo genau die Stimme unter ihnen war.
»Das ist nicht wahr«, flüsterte Balenger. »Carlisle hatte kei‐
ne Kinder.«
»Er ist mein Vater.«
Balenger blieb in Bewegung; er ging leise weiter in den
Trainingsraum, wo die Hanteln immer noch die Tür des Auf‐
zugs offen hielten.
»Nein«, sagte Balenger. »Er ist nicht dein Vater.«
»Er hat wie einer gehandelt.«
»Das ist nicht das Gleiche.«
»Manchmal ist es alles, was man hat.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Balenger. »Hast du dich wie
ein guter Sohn verhalten?«
Balenger schaltete die Stirnlampe aus, bevor er in die von
Kerzen erleuchtete Krankenstation weiterging.
Amanda und Vinnie taten das Gleiche. Hätten sie es nicht
getan, hätte man das Licht durch die Löcher im Boden sehen
können. Beim Anblick der beiden Leichen wurde ihm kalt.
»Du bewegst dich vorsichtig«, sagte die Stimme, »aber die
Kerzenflammen reagieren auf den Luftzug, den du verur‐
sachst. Ich kann sie durch die Löcher flackern sehen.«
Schlagartig wurde Balenger klar, dass Ronnie unmittelbar
unter ihm stand. Er hatte kaum noch Zeit, zurückzutreten, be‐
vor die Gewehrsalve den Boden an der Stelle auseinander riss,
an der er gestanden hatte. Balenger zielte auf das neu entstan‐
dene Loch und war im Begriff zu schießen, entschied aber im
letzten Augenblick, dass Ronnie genau das wollte – er sollte
seine Munition an ein unsichtbares Ziel verschwenden. »Hast
du die Sprengladungen da oben entschärft?«, fragte die Stim‐
me aus dem Funkgerät. »Ich gehe davon aus, dass ein ehema‐
liger Ranger dazu in der Lage ist.« Balenger war fassungslos.
»Fragst du dich jetzt, woher ich deinen Hintergrund ken‐
ne?«, fragte die Stimme. »Gleich beim ersten Mal, als du in
meinem Büro aufgetaucht bist und Fragen gestellt hast, habe
ich gewusst, du würdest mir Schwierigkeiten machen. Als du
das nächste Mal gekommen bist, hatte ich einen ganzen Stoß
Material über dich. Wirklich ein Jammer mit diesem Golf‐
kriegssyndrom. Aber wenigstens hattest du jemanden, der
sich um dich gekümmert hat. Deine Frau hat gezeigt, wie viel
ihr an dir gelegen hat.«
Dianes Erwähnung traf Balenger wie ein Schlag in die Ma‐
gengrube und zog ihn nach vorn. Blitzartig trat blinde Wut an
die Stelle von Kummer und Verlust. Er zielte auf die Stelle,
von der die Stimme
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