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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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ich?«
    »Ja, einmal.« Rocco verzog das Gesicht. »Das war ein ziemliches Fiasko. Frank hat mich danach nie wieder mitgenommen.«
    »Einen schwulen Freund fanden sie für ihren Sohn vermutlich völlig inakzeptabel, oder?« Mia konnte ihre Schadenfreude nicht verbergen.
    »Vor allem fanden sie einen schwulen Freund inakzeptabel, der die Frechheit besaß, eine wundervolle Schwiegertochter zu vergraulen.«
    »Oh.« Nun hatte Mia doch ein wenig Mitleid mit Rocco. »Aber zwei schwarze Schafe haben vielleicht eine größere Überlebenschance als eins.«
    »Wieso zwei? Du bist doch ein weißes Lämmchen.«
    »Für Franks Mutter vielleicht. Der Rest der Sippe verachtet mich, darauf kannst du wetten.«
    »Ach herrje, dann mal auf zur Schlachtbank.«
    Eine Weile fuhren sie schweigend dahin. Die Hitze war unerträglich. Mia öffnete ihr Fenster weit, aber die warme Luft, die ihr ins Gesicht blies, brachte keine Abkühlung. Von Westen her schoben sich dunkle Gewitterwolken über einen gelben Himmel.
    Verstohlen musterte sie Rocco von der Seite. Ihr war noch nie aufgefallen, dass sein langes, schmales Gesicht mit der spitzen Nase und den vollen Lippen von einer fast femininen Schönheit war. Die straff nach hinten gegelten Haare hingegen betonten seine männlichen Anteile, die riesige Sonnenbrille ließ ihn wie immer sehr lässig erscheinen. Die mageren, sehnigen Arme waren gebräunt, unter dem engen T-Shirt zeichneten sich die Konturen eines schlanken Körpers ab. Auf dem rechten, sehr muskulösen Oberarm schaute unter dem Ärmel ein Tattoo hervor.
    »Trainierst du regelmäßig?«, fragte Mia. Rocco warf ihr einen schnellen Blick zu und nickte stumm. Er konzentrierte sich ganz auf ein Überholmanöver, das sich mit dem alten, schwerfälligen Jetta langwierig gestaltete. Mia trank einen Schluck Wasser und reichte Rocco anschließend die Flasche.
    »Du bist eigentlich auch nicht besser als Franks Sippschaft«, sagte Rocco unvermittelt, nachdem er getrunken hatte.
    Mia starrte ihn überrascht an. »Wieso das denn?«
    »Du verachtest mich genauso wie sie.«
    »Na hör mal, das ist ja wohl etwas völlig anderes. Ich kenne dich. Und außerdem hast du mir meinen Mann ausgespannt«, empörte sich Mia. »Dass mich das nicht gerade freundlich stimmt, dürfte dich ja wohl kaum verwundern.«
    Rocco bedachte sie mit diesem herablassenden, blasierten Lächeln, das ihr schon immer auf die Nerven gegangen war. »Du mochtest mich schon nicht, als zwischen ihm und mir noch gar nichts lief. Dabei habe ich dir nie was getan. Das kränkt mich viel mehr als die Vorurteile irgendwelcher wildfremder Tanten. «
    Mia schwieg verwundert. Der Spott war aus Roccos Augen verschwunden, ernst blickte er auf die Straße, sein Gesicht angespannt. So kannte sie ihn gar nicht. Sein Vorwurf bereitete ihr Unbehagen. Es stimmte, Rocco hatte ihr nie etwas getan – früher jedenfalls. Im Gegenteil, er war immer hilfsbereit und freundlich zu ihr gewesen. Sie hingegen hatte ihn abstoßend gefunden und sich in seiner Nähe nicht wohlgefühlt. Rocco besaß so eine Art, sie mit Blicken und Worten auszuziehen, die Mia widerlich fand.
    Sie stutzte.
    Moment mal - Rocco war schwul. Das hatte sie immer schon gewusst, er machte nie einen Hehl aus seinem Interesse an Männern. Warum fühlte sie sich trotzdem ständig von ihm belästigt?
    Arthurs Gedanken über Eifersucht kamen ihr in den Sinn. Hatte sie unbewusst doch die ganze Zeit geahnt, dass Frank sich für einen Mann wie Rocco mehr begeistern würde als für sie? Oder sprang Rocco genau wie Frank zwischen den Geschlechtern hin und her und verunsicherte sie damit? Franks Gerede von einem Teilzeitschwulen hatte sie immer irritiert.
    Nervös umklammerte Mia ihre Wasserflasche und konzentrierte ihren Blick auf ein paar dürre Bäume vor dem Fenster, die sich im aufkommenden Sturm bogen.
    »Ich werde auch nie verstehen, wieso du damals alles so schnell weggeworfen hast«, fuhr Rocco ungerührt fort. »Frank hat dich so sehr geliebt. Ihr hättet doch echt andere Wege finden können.«
    Mias Unsicherheit verwandelte sich schlagartig in Zorn. »Darf ich dich daran erinnern, dass er gegangen ist? Er hat mich betrogen, nicht umgekehrt. Herrgott nochmal, wieso haben denn immer alle so ein schlechtes Gedächtnis?«
    »Das frage ich mich auch.« Roccos Stimme wurde schneidend. »Oder irre ich mich, wenn ich glaube, dass dir die Sache mit deinem Kollegen offenbar komplett entfallen ist?«
    »Die Sache mit meinem Kollegen? Ich weiß

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