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Ebbe und Glut

Ebbe und Glut

Titel: Ebbe und Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Burkhardt
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wir dein Programm?«
    »Jetzt gleich«, erklärte Arthur, während er Fleisch klein schnitt. »Du bist hoffentlich keine Vegetarierin. Ich habe vergessen, dich zu fragen.«
    »Nein, keine Sorge. Wollen wir erst essen, bevor es in deine Runde geht?«
    »Nein, ich bereite nur schon mal ein paar Sachen vor. Wir essen hinterher.« Er grinste. »Wenn aller Druck weg ist.«
    Arthur stellte das Fleisch zur Seite, wusch sich die Hände und ging hinunter ins Wohnzimmer. Zielstrebig steuerte er seinen Lieblingssessel an.
    Mia starrte ihn entgeistert an. Sie war davon ausgegangen, dass sie nun in Arthurs Schlafzimmer gehen würden, dass endlich der Teil kam, bei dem sie beide nackt nebeneinander liegen und sich leidenschaftlich lieben würden – und dass es leidenschaftlich würde, daran hatte Mia seit diesem Abend keinen Zweifel mehr.
    »Du willst sonst nichts? Nur das klassische Programm?«, fragte sie erstaunt.
    »Ja.«
    »Aber …«
    »Keine Angst, ich komme nicht zu kurz«, unterbrach Arthur sie. »Ich habe heute schon sehr viel erhalten.«
    Der Blick, mit dem er Mia ansah, verwirrte sie.
    »Dann machen wir mal«, murmelte sie hastig und kniete sich auf den Boden.
    Es war anders als damals vor einem Jahr. Weder unpersönlich noch gierig. Stattdessen war es sanft und leidenschaftlich. Mia war erstaunt, wie unterschiedlich eine eigentlich immer gleiche Handlung ausfallen konnte. Als sie aufstand, strich sie Arthur leicht mit einem Finger über die Wange. Er ließ es geschehen.
    »Danke«, sagte er leise.
     
    Schweigend genossen sie das köstliche Essen, Gemüse und Hähnchen aus dem Wok, dazu Basmatireis. Es war jedoch keine angespannte, verlegene Stille, wie sonst so oft zwischen ihnen, sondern vielmehr die Stille nach dem Sturm. Ruhig und auf fast unheimliche Weise friedlich. Selbst die Musik – wieder irgendetwas Jazziges, das Mia nicht kannte - war verstummt.
    Mia durchbrach die Stille als Erste. »Du hast hoffentlich nicht vergessen, dass noch ein Programmpunkt fehlt.«
    »Nein, habe ich nicht.« Arthur spülte seinen letzten Bissen mit Wein hinunter. »Ehrlich gesagt habe ich lange überlegt, was für eine Geschichte du wohl erwartest.«
    »Und?«
    »Ich nehme an, es gibt ziemlich vieles, was du gerne wissen würdest.«
    »Darauf kommt es nicht an«, entgegnete Mia und registrierte mit Vergnügen, dass Arthur unsicher wirkte. Endlich brachte sie ihn mal ein wenig ins Schwanken. Aber Mia wollte ihn nicht unnötig zappeln lassen und fuhr freundlich fort: »Es kommt darauf an, was du gerne erzählen möchtest.«
    »Eigentlich nicht viel.« Ein verlegenes Lächeln huschte über Arthurs Gesicht. Er sah fast ein wenig traurig aus – oder einfach müde. »Aber ich erzähle dir trotzdem etwas. Das habe ich schließlich versprochen.«
    Ein letzter Bissen, ein letzter Schluck Wein, dann lehnte er sich zurück und legte los.
    »Als Kind wollte ich unbedingt einen Hund haben. Meine Eltern fanden das aber keine so gute Idee. Also bekam ich ein Meerschweinchen.«
    Mia lächelte. Was immer Arthur jetzt erzählen würde, es war nicht das, was sie erwartet hatte.
    »Und damit es keinen Streit gab, bekamen auch meine zwei Brüder ein Meerschweinchen. Die Tiere lebten in einem Stall in unserem Garten und hatten Auslauf in einem großen Gehege. Allerdings durften wir sie nicht unbeaufsichtigt draußen lassen, weil die Nachbarn eine sehr gefräßige Katze hatten, die gern lauernd vor dem Stall unserer kleinen Meerschweinchen hockte.«
    Arthur war ein guter Erzähler. Gebannt beobachtete Mia, wie er konzentriert seine Sätze formulierte und Mia dabei unverwandt ansah. Sie erkannte, dass er sich seine Geschichte genau zurecht gelegt hatte.
    »Ich liebte mein Meerschweinchen über alles. Es war schwarz-weiß gefleckt und hieß Paulchen. Wie Paulchen Panther. Tobias, mein älterer Bruder, verlor schnell die Lust daran, die Tiere zu versorgen. Jakob war noch zu klein. Also blieb die Verantwortung meistens an mir hängen. Ich habe das auch ganz gern gemacht, ich war irgendwie immer der Kümmerer bei uns.«
    Mia sah überrascht auf. Der Kümmerer? Arthur? Wenn das hier mal keine Märchenstunde wurde.
    Arthur ignorierte ihren spöttischen Blick. »Ich habe also meistens den Stall der Meerschweinchen sauber gemacht und sie beaufsichtigt, wenn sie draußen in ihrem Gehege saßen. Aber manchmal ging mir das auch auf die Nerven und ich verdonnerte meine Brüder zu mehr Einsatz. Eines Tages setzte ich die Meerschweinchen raus in ihr Gehege und

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