Ebbe und Glut
Frau ab, die man weniger interessant findet, damit niemandem auffällt, dass man in Wahrheit eine andere anhimmelt. Jedenfalls überrascht es mich rückblickend überhaupt nicht, dass Arthur ausgerechnet mit dir eine Affäre angefangen hat.«
Wieder kam Mia die Begegnung mit Arthur am Strand in den Sinn. Wie er ihr nachgesehen hatte, mit diesem Strahlen in den Augen, das sie noch spürte, als sie längst in ihrer Ferienwohnung unter der Dusche stand. All die Jahre hatte sie sich nicht mehr an diesen Moment erinnert. Bis jetzt.
Bitterkeit stieg in ihr auf. Die arme Carol. Wie hielt sie es nur mit einem Mann aus, der ständig fremdging?
Sie überlegte, Arthur doch anzurufen und ihn zur Rede zu stellen. Er verdiente es nicht, so ungeschoren davon zu kommen. Andererseits – war er es überhaupt wert, dass sie so viel Energie an ihn verschwendete? Eigentlich sollte es genügen, ihn gedanklich zum Teufel zu schicken – und fertig. Dumm nur, dass das gar nicht so leicht war.
Gerade, als sie sich zum x-ten Mal im Kreis drehte, rief Arthur an.
»Wie geht’s deinem Fuß?«, fragte er freundlich.
»Na, du traust dich was!«, rief Mia empört.
»Wieso?«
»Du weißt genau, was ich meine. Das ist ja wohl das Letzte, so harmlos und unschuldig zu tun. Erst teilst du mir mal eben zwischen Tür und Angel mit, dass du verheiratet bist. Dann tauchst du einfach unter. Und jetzt tust du so, als sei nichts gewesen.«
Arthur seufzte. Er hatte Mias Reaktion befürchtet. Allein, dass sie nicht auf seine SMS reagiert hatte, verhieß nichts Gutes. Er wappnete sich für ein schwieriges Gespräch.
»Ich bin nicht untergetaucht, im Gegensatz zu dir.« Er ärgerte sich sofort, dass er einen viel zu zornigen Ton anschlug. »Ich stand zweimal vor deiner Tür, aber du hast nicht aufgemacht. Dann habe ich dir eine SMS geschickt. Aber du hast nicht geantwortet. Also – wer taucht hier unter? Und ich tue auch keineswegs so, als sei nichts gewesen. Vielmehr habe ich mich genau darum gemeldet: Weil ich weiß, dass es ein paar Dinge gibt, über die wir mal reden müssen.«
Mia überhörte geflissentlich, dass Arthur zweimal vergeblich vor ihrer Tür gestanden hatte. »Ach, und worüber sollen wir jetzt noch reden? Darüber, dass wir uns in Zukunft nicht mehr sehen können, weil dir das nun doch etwas heikel geworden ist? Wo ich deine Frau ja sogar kenne. Ich könnte ihr mal eine Mail schreiben und erzählen, was ihr Mann so treibt, während sie in Amerika oder wo auch immer ist. Die Adresse habe ich sicher noch irgendwo gespeichert.«
Mia wartete darauf, dass Arthur eine verlegene Entschuldigung murmelte und auflegte. Jedes weitere Wort, das er jetzt sagte, war garantiert ein Schlag in ihre Magengrube, da war es am besten, er verabschiedete sich kurz und schmerzlos und machte nicht alles mit lahmen Rechtfertigungsversuchen noch schlimmer. Gleichzeitig belastete ihn jede Sekunde, in der er länger schwieg, noch mehr.
Schuldig, dachte Mia, er ist schuldig, und ich kann ihm jetzt entweder einen kurzen oder einen langen Prozess machen. Sie kochte innerlich.
Auf das, was dann kam, war sie jedoch nicht im Geringsten vorbereitet.
Arthurs Stimme klang eigenartig fremd, als er wieder sprach. »Das habe ich befürchtet – dass du denkst, ich betrüge Carol mit dir. Aber so ist das nicht. Lieber Himmel, Mia, ich weiß, ich kann nicht mal was Gescheites zu meiner Verteidigung vorbringen. Einem Mann, der Frauen kauft, traut man vermutlich alles zu.« Er sprach seltsam unbeteiligt und so, als hätte er selbst noch nicht begriffen, was er da sagte. »Ich weiß, ich habe mich dir gegenüber schrecklich verhalten. Aber manchmal sind die Dinge nicht so, wie sie vielleicht auf den ersten Blick scheinen.« Unsicher brach er ab.
Mia schwieg verwirrt. Sie verstand nicht, wovon Arthur redete.
Er atmete so laut aus, dass Mia meinte, seinen Atem durchs Telefon zu spüren. »Lebensumstände ändern sich. Damals auf Spiekeroog waren wir beide noch verheiratet. Du bist jetzt geschieden. Kam dir nicht der Gedanke, dass sich auch in meinem Leben etwas verändert haben könnte?«
»Ihr … ihr seid auch geschieden?«, fragte Mia entgeistert und kam sich so unfassbar dämlich vor, dass sie dankbar war, Arthur nicht in die Augen sehen zu müssen.
»Nein, sind wir nicht.«
Schlagartig war alle Wut wieder da.
»Na bitte, ich wusste es doch!«, rief Mia aufgebracht. Eine klitzekleine Sekunde nur war sie auf Arthur hereingefallen – eine Sekunde, und ein ganzes
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