Echo der Angst - Eden, C: Echo der Angst
und ging stockend auf das Zimmer zu.
Die Frau mit den Locken griff nach ihrer Handtasche. »Ich gehe jetzt heim. Wir reden später.«
Wohl kaum. Monica warf Luke einen Blick zu.
Er nickte kaum merklich und sagte: »Miss, wir müssen mit Ihnen sprechen.«
Sie riss die himmelblauen Kulleraugen auf.
»Es wäre nett, wenn Sie noch ein bisschen bleiben könnten.« Er schenkte ihr ein heiteres Lächeln. »Dann können wir uns gleich ganz in Ruhe unterhalten.«
Davis machte eine Handbewegung, und Melinda Jenkins, ein weiterer Deputy, trat neben die Krankenschwester. Sie war es, die Monica vor dem Krankenhaus in Empfang genommen hatte. Sie war feingliedrig und hatte eine sanfte Stimme, machte aber trotzdem den Eindruck, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Eine gute Idee von Davis, Melinda auf die Krankenschwester anzusetzen, vor allem in Anbetracht der Blicke, die Lee ihr zuwarf.
Die Schwester packte ihre Tasche fester. »A… aber ich habe nichts getan.«
»Sie waren die diensthabende Schwester, oder?«, fragte Monica ruhig. Sie kannte die Antwort. Davis hatte ihr die Frau gezeigt, als er sie am Lift in Empfang genommen hatte.
Die Krankenschwester nickte aufgebracht.
»Dann waren Sie hier, als der Killer zugeschlagen hat. Sie haben ihn gesehen.« Sie machte eine kunstvolle Pause. »Er Sie auch.«
Das attraktive Gesicht der Blonden wurde bleich.
»Ich fürchte, Sie gehen vorläufig nirgendwohin«, sagte Luke. Er ließ seinen Südstaatendialekt stärker durchklingen, um ihr das Gefühl zu geben, mit einem Jungen von nebenan zu reden. »Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen, wir brauchen nämlich Ihre Hilfe.«
Melinda rückte ganz nah an die Schwester heran. Monica wechselte einen Blick mit der Deputy – die blondgelockte Krankenschwester würde sich nicht davonstehlen können.
»Kommen Sie bitte mit, meine Liebe«, sagte Melinda mit ihrer sanften Stimme.
»Aber … ich will doch nur nach Hause.«
»Sissy Sue, ich fürchte, das ist nicht möglich.« Immer noch sanft, aber bestimmt.
Deputy Jenkins könnte ich mögen , dachte Monica. Wenn doch nur sie letzte Nacht Dienst gehabt hätte – dann hätte man Laura jetzt nicht ins Leichenschauhaus überführen müssen.
Sie holte tief Luft und ließ den Atem dann langsam entweichen. Davis, der neben ihr stand, wirkte extrem angespannt. »Heute Nacht ist noch etwas geschehen, das Sie wissen sollten.«
Er runzelte die Stirn.
»Der Killer hat Kontakt aufgenommen.«
Davis fiel die Kinnlade herunter. »Unsinn.«
»Nicht ganz. Er rief mich an.« Wahrscheinlich unmittelbar bevor er Laura ermordete – soweit man das anhand der blassen und wächsernen Haut der Leiche beurteilen konnte. »Er weiß, dass wir hinter ihm her sind, und ich glaube, das gefällt ihm.«
***
Deputy Andrew »Andy« Vickers sah aus, als wolle er in Tränen ausbrechen. Luke kniff die Augen zusammen, schlug die Beine übereinander und überließ Monica das Gespräch mit dem jungen Mann. Davis stand neben ihm und schüttelte alle paar Minuten angewidert den Kopf.
»Ich bin nicht weggegangen. Wirklich nicht!«
»Dann müssen Sie jemanden gesehen haben. In dieser Abteilung lagen keine anderen Patienten. Nur Laura. Wen haben Sie auf diesem Flur gesehen, und wieso zum Teufel haben Sie ihn nicht aufgehalten?«
»Schwestern und Ärzte«, entgegnete er und fuhr sich immer wieder nervös mit der Hand über das Gesicht. »Die ganze Nacht sind nur Schwestern oder Ärzte gekommen, um nach ihr zu sehen. Sonst niemand.«
»Sie sollten vor ihrer Tür stehen bleiben«, schaltete Luke sich ein. »Aber das haben Sie nicht getan.« Luke konnte sich vorstellen, was der Grund dafür war. Vielmehr, wer. Ein Grund, der etwa einen Meter fünfundfünfzig groß war, 50 Kilo wog …
Das schlechte Gewissen stand Andy ins Gesicht geschrieben. »Ich habe nur kurz mit Sissy gesprochen. Höchstens zehn Minuten, das schwöre ich – und vom Schwesternzimmer aus kann man den Flur im Auge behalten. Ich hatte das Zimmer die ganze Zeit im Blick.«
Unsinn. Hätte er den Flur im Auge behalten können, wäre Laura jetzt nicht tot.
»War das der einzige Zeitpunkt, zu dem Sie nicht direkt vor Lauras Zimmer standen?«, fragte Monica und strich sich das Haar aus der Stirn.
»J… ja.«
»Wen haben Sie gesehen? Wer ist an Ihnen vorbeigegangen, während Sie mit Sissy flirteten? Wer?« Wenn Monica in Fahrt kam, konnte sie ganz schön hartnäckig sein.
Zänkisch. Begabt. Sexy.
Luke räusperte sich.
Andy blinzelte ein paarmal.
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