Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
der weißen Garage hinter dem Gebäude konnte man sehen, was der Mann im Schatten in der Hand hielt. Es war ein Draht. Eine lange Schlinge aus dünnem Draht. Er schlang den Draht über Thompsons Kopf und dann um dessen Hals, riss ihn nach hinten und zog Thompson aus dem Bild.
Dann war nichts mehr zu sehen.
»Ich möchte, dass eine Kopie davon an den technischen Dienst geschickt wird«, sagte Dana Westbrook. »Ich möchte, dass sie jedes einzelne Bild unter die Lupe nehmen.«
»Wird gemacht.«
»Ich will, dass alle Reifenspuren von dem Parkplatz und dem Bereich hinter dem Gebäude sichergestellt werden«, fuhr Westbrook fort. »Überprüfen Sie, ob es auf der Straße Überwachungskameras gibt.«
Ehe Westbrook dem noch etwas hinzufügen konnte, stieg Dennis Stansfield im Eiltempo die Stufen hinunter und stürmte in den Raum.
»Detective?«, sagte Westbrook. »Sie sind zu spät.«
Stansfield schaute auf den Boden, die Decke und die Wände. Er öffnete den Mund, doch es kam kein Ton heraus. Er schien erstarrt zu sein.
»Stansfield?«
Schließlich erwachte er aus seiner Erstarrung. »Wir haben noch eine Leiche.«
Der Fundort war ein chinesischer Schnellimbiss in der York Street in Fishtown. Dieses Arbeiterviertel im Nordosten von Center City erstreckte sich ungefähr vom Delaware River bis zur Frankford Avenue und der York Street. Mittlerweile gab es in Fishtown eine Reihe von Veranstaltungsstätten für Kunst-und Unterhaltungsevents, wo sich Künstler oder solche, die sich dafür hielten, sowie Cops, Feuerwehrleute und Arbeiter trafen.
Als Byrne und Jessica unter dem Absperrband hindurchschlüpften und zu dem Bereich hinter dem Restaurant gingen, fürchtete Jessica sich vor dem, was sie erwartete.
Zwei Streifenpolizisten standen an der Einmündung der Gasse. Jessica und Byrne unterschrieben das Tatortprotokoll, streiften Handschuhe über und gingen die schmale Gasse hinunter. Sie hatten es nicht eilig.
Kurz nach einundzwanzig Uhr war der Anruf bei der Notrufzentrale eingegangen. Es sah so aus, als wäre das Opfer schon seit Tagen tot.
Hinter dem Restaurant stapelten sich seit Wochen die Müllsäcke. Offenbar hatte der Restaurantbesitzer mit dem privaten Müllentsorger einen Streit, der eskaliert war. An einer Wand standen über hundert volle Plastiksäcke, die von Ratten und Mäusen aufgerissen worden waren, und jetzt quoll der halb verrottete Inhalt heraus. Der entsetzliche Gestank des bereits verwesenden Leichnams wurde von einem Dutzend anderer beißender Gerüche nach verfaultem Fleisch und Gemüse überdeckt. Drei mutige Ratten liefen am Ende der Gasse hin und her und warteten auf eine günstige Gelegenheit.
Jessica sah das Opfer nicht sofort. Die Kriminaltechniker hatten ihre Scheinwerfer noch nicht aufgestellt. In dem trüben Licht der Straßenlaternen und dem matten Schimmer der Sicherheitsleuchte über der Hintertür des Restaurants verschmolz der Leichnam mit dem Müll und dem löchrigen Asphalt, als wäre er ein Teil dieser Stadt geworden. Erst als Jessica näher heranging, sah sie den Leichnam.
Hellbraune Haut, nackt und rasiert. Gase, die sich gebildet hatten, blähten den Toten auf.
Nicht nur das ganze Team war anwesend, sondern auch Russell Diaz, Mike Drummond und nun auch ein Vertreter aus dem Büro des Bürgermeisters.
Alle warteten darauf, dass der Rechtsmediziner den Leichnam für die Detectives freigab. Tom Weyrich hatte heute einen Tag freigenommen. Eine Schwarze in den Vierzigern, die Jessica noch nie gesehen hatte, vertrat ihn. Die Rechtsmedizinerin untersuchte den Leichnam auf Wunden und machte sich Notizen. Sie öffnete die Hände des Opfers und richtete den Lichtstrahl der Taschenlampe auf die Innenfläche, worauf alle das kleine Tattoo auf dem Mittelfinger der linken Hand sahen. Es schien ein Känguru zu sein. Es wurde aus allen Perspektiven fotografiert.
Die Rechtsmedizinerin stand auf und trat zurück. Stansfield ging auf das Mordopfer zu und entfernte vorsichtig den hellen Papierstreifen, der um den Kopf des Toten gewickelt war.
Der Tote war ein Lateinamerikaner Ende dreißig. Wie die anderen Opfer auch hatte er einen Schnitt auf der Stirn, doch die Stichwunde befand sich diesmal über dem linken Auge. Das rechte Ohr war komplett verstümmelt und bestand nur noch aus einer unförmigen Masse aus getrocknetem Blut und zerschnittenem Knorpel.
Als Byrne das Gesicht des Opfers sah, trat er ein paar Schritte zurück und steckte die Hände in die Taschen.
Was war los?, fragte
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