Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
Christa-Maries Spiel.
Die Dame, so hieß es, ist eine Markgräfin oder Baronin
und ihr unerfahrener Verehrer ein armer Wagenbauer.
O Schreck! Seht, wie sie sich ihm hingibt,
als wäre der Flegel ein Baron!
»Sie gab sich ihm hin«, sagte Drummond und deutete auf die Gestalt auf dem Boden. »Sie hat nicht mehr lange zu leben, wissen Sie. Es musste erledigt werden.«
»Wer hat nicht mehr lange zu leben?«
»Die Lehrerin. Sie wird sterben. Darum musste ich schneller schreiben.«
Drummond ging einen Schritt rückwärts in die Küche und zog Lucy mit. »Hören Sie ihnen zu. Hören Sie es?«
»Ich höre es, Michael.«
23.58 Uhr.
Jessica schob sich kaum merklich weiter vor.
»Was ist mit Gabriel Thorne?«, fragte sie und zeigte auf die Gestalt auf dem Küchenboden. »Christa-Marie hat ihn nicht getötet, nicht wahr? Sie waren es, Sie und Joseph Novak.«
»Thorne war in sie verliebt. Er hat sie manipuliert.« Drummond schüttelte den Kopf. Seine Augen füllten sich mit Tränen. »Joseph war schwach. Er war immer schwach.«
»Aber Sie haben zugelassen, dass Christa-Marie die Schuld auf sich nahm.«
Tränen rannen ihm über die Wangen. »Ich musste zwanzig Jahre damit leben.«
Drummond ging rückwärts bis in die Mitte der Küche, als der Totentanz sich seinem glanzvollen Schlusssatz näherte.
Inmitten dieses Gewirrs an Klängen und Geräuschen erscholl auf einmal die Stimme eines Mannes:
»Michael.«
Im Inneren, wo die Musik lebt, in dieser vergoldeten Halle, beobachte ich alles und warte. Die Lehrerin weiß, was ich tun muss.
Eine Note muss noch gespielt werden.
Eine letzte Note.
Als die Stimme des Mannes erklang, hielten alle den Atem an. Drummond drückte Lucy noch fester an sich. Langsam hob er das Rasiermesser hoch und zog es blitzschnell über seine Stirn. Rotes Blut rann über sein Gesicht und tropfte auf Lucy hinab.
Wieder erklang von irgendwoher: »Michael.«
Drummond zögerte einen Augenblick und lauschte der Stimme. »Dr. Thorne?«
Noch eine Note.
Noch eine Stimme.
Drummond schaute zu Christa-Marie hinüber, die wie von Sinnen im Musikzimmer auf dem Cello spielte.
Sie drängeln, sie fliehen. Der Hahn hat gekräht.
Oh, was für eine wunderschöne Nacht für die arme Welt!
Mitternacht.
Michael Drummond hob das Rasiermesser hoch in die Luft. Er zog Lucys Haare zurück und entblößte ihren weißen Hals.
»Die Lehrerin …«, sagte er.
Als er die Hand wieder senkte und das Rasiermesser sich Lucys Hals näherte, sah Jessica, dass sich die Gestalt auf dem Boden bewegte.
Es war nicht David Albrecht.
Detective Kevin Byrne rollte sich auf die rechte Seite, hob die Glock 17 und drückte ab. Die Kugel drang in Drummonds Kopf ein, genau über seinem rechten Auge. Dicke Knochensplitter und Hirnmasse spritzten aus seinem Hinterkopf auf die weißen Fliesen an der Wand.
Drummond knallte mit dem Gesicht auf den Küchentresen, genau auf den weißen Papierstreifen. Sein blutverschmiertes Gesicht schrieb die groteske Parodie von Notenlinien auf das Papier. Dann brach er auf dem Boden zusammen.
Der laute Schuss hallte Jessica noch in den Ohren. Sie schaute in die Küche. Als sie in die Ecke des Musikzimmers trat und Lucy Doucette in die Arme schloss, wechselte sie einen Blick mit Byrne. Er war voller Blut, aber es war nicht seines. Kevin hatte auf dem Küchenboden auf der Lauer gelegen. Er schaute Jessica an, doch er sah noch etwas anderes, vielleicht etwas, das vor langer Zeit in diesem Raum geschehen und das nun zu einem Abschluss gekommen war.
Der Mann, nach dessen Musik die Toten tanzen sollten, war tot, aber seine Symphonie hatte er vollendet.
101.
Zum zweiten Mal in dieser Nacht sicherte das Philadelphia Police Department Spuren an einem Tatort in diesem Haus. Dutzende von Polizisten bewegten sich wie stumme Geister durch die nun hell erleuchteten Räume.
Jessica und Byrne traten hinaus in die Dunkelheit. Als sie allein und außer Hörweite waren, drehte Jessica sich zu Byrne um und ließ ihrer Wut freien Lauf. »Ich gebe dir genau fünf Sekunden, um mir das zu erklären, verdammt!«
»Ich weiß, dass du verärgert bist.«
»Ich bin nicht verärgert. Ich bin stinksauer«, erwiderte Jessica. »Wann hast du dir das denn ausgedacht? Gestern?«
»Nein.«
»Blödsinn.«
Jessica lief hin und her. Byrne wartete, bis sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Jess, glaub mir. Die Verhaftung war nicht inszeniert. Diaz und seinen Leuten lagen Beweise vor, dass die Tattoos an meine Adresse geschickt
Weitere Kostenlose Bücher