Echo des Blutes: Thriller (German Edition)
abgesehen davon, dass er ein Rassist, ein Sexist, ein Schwulenhasser und unglaublich eingebildet ist.«
Bontrager lachte. »So schlimm?«
»Ja. Das sind nur die Highlights.«
»Wie kommt es, dass ihn keiner leiden kann?«
Jessica erzählte ihm von dem Robles-Fall und von Stansfields unglaublicher Schlamperei, die letztendlich zum Tod von Samuel Reese geführt hatte.
»Man könnte meinen, so etwas müsste er wissen«, sagte Bontrager.
»Sollte man meinen.«
»Und dieser Robles hat definitiv auch den zweiten Mord begangen?«
»Ja. Kevin sagt heute vor der Grand Jury aus.«
Bontrager nickte. »Und nachdem Stansfield diese Scheiße gebaut hat, wird er befördert und bekommt eine Gehaltserhöhung?«
»Die Entscheidungen der Chefetage sind unergründlich.«
Bontrager steckte die Hände in die Taschen und wippte auf den Absätzen. »Falls du wieder einmal ohne deinen Partner dastehst, wenn du einen neuen Fall übernehmen musst, sag mir Bescheid.«
»Danke, Josh, mach ich«, erwiderte Jessica und hielt eine Mappe hoch. »Hilfst du mir?«
»Klar.«
Bontrager nahm die Mappe, zog eine Körperskizze heraus und befestigte sie auf einem Klemmbrett. Es handelte sich um ein Standardformular der Polizei mit vier Skizzen des menschlichen Körpers – Vorderseite, Rückseite, linke und rechte Seite –, das auch Platz für eine grobe Beschreibung des Tatortes bot. Auf diese Körperskizze griffen die Detectives im Laufe der Ermittlungen am häufigsten zurück, und sie war das erste Formular in der Akte, die für den Fall angelegt wurde.
Die beiden Detectives kehrten in den Keller zurück. Jessica beschrieb die Leiche, und Josh Bontrager schrieb alles auf.
»Es handelt sich bei dem Opfer um einen weißen Mann zwischen dreißig und fünfundvierzig. Der Tote hat auf der Stirn eine Schnittwunde und über dem rechten Auge eine Stichwunde. Das rechte Ohr ist verstümmelt. Ein Stück des Ohrläppchens fehlt. Am Hals sind Würgemale.«
Bontrager markierte alles auf der Skizze.
»Das Opfer ist nackt. Der Körper scheint kürzlich von Kopf bis Fuß rasiert worden zu sein. An den Hand-und Fußgelenken sind Striemen, die darauf hinweisen, dass das Opfer gefesselt war.«
Anschließend beschrieb Jessica den Tatort, an dem sich ihr Weg mit dem des namenlosen toten Mannes gekreuzt hatte.
Als Josh Bontrager zwanzig Minuten später ins Roundhouse zurückkehrte und Dennis Stansfield Befragungen in der Nachbarschaft durchführte, stand Jessica auf der obersten Stufe der Treppe. Sie drehte sich im Kreis und betrachtete die Umgebung. Unmittelbar hinter dem Geschäft war ein freies Grundstück, nachdem dort kürzlich zwei Häuser abgerissen worden waren. Die hohen Beton-, Stein-und Schuttberge lagen noch dort. Das Grundstück war nicht eingezäunt. Rechter Hand standen mehrere Reihenhäuser. Linker Hand befand sich die Rückseite eines Gewerbebaus ohne Fenster zur Gasse. Falls ein Zeuge jemanden gesehen haben konnte, der die Rückseite des Tatorthauses betreten hatte, musste er sich in einem Zimmer auf der Rückseite eines der Reihenhäuser oder auf dem freien Grundstück aufgehalten haben. Der Blick über die Straße war teilweise durch die hohen Schuttberge versperrt.
Jessica ging auf den Streifenbeamten zu, der mit dem Tatortprotokoll an der Einmündung der Gasse stand. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, jeden, der den Tatort betrat und verließ, das Protokoll unterschreiben zu lassen.
»Wer hat die Leiche gefunden?«, fragte Jessica ihn.
»Wir haben einen anonymen Anruf bekommen«, erwiderte der Beamte. »Gegen sechs Uhr heute Morgen hat jemand den Notruf verständigt.«
Anonym. In der Stadt lebten eineinhalb Millionen Menschen, und sie blieben alle am liebsten anonym. Bis es jemanden aus der eigenen Familie traf.
7.
Als Byrne aus einem unruhigen Schlaf erwachte, war er wie benommen, und die Träume hielten ihn noch gefangen. Als das Tageslicht an diesem Morgen durch die Jalousien schimmerte, träumte Kevin Byrne, dass er in einem höhlenartigen, von unzähligen Votivkerzen erhellten Gerichtssaal auf dem Platz des Angeklagten saß. Er konnte die Geschworenen nicht sehen, aber er wusste, wer sie waren. Es waren die stummen Opfer, und zwar mehr als zwölf. Es waren Tausende, und sie hielten alle eine Kerze in der Hand.
Byrne stieg aus dem Bett, schlurfte in die Küche und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Er hatte nur vier Stunden geschlafen und in der Nacht davor drei. Seit ein paar Monaten wurden seine
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