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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sie einkaufen müsste, war eine perfekte Ausrede. Sie versprach Weird, dass sie jemanden vom Supermarkt bitten würde, die schweren Sachen zu tragen. Dann hatte sie Davina warm eingepackt, sie in ihre Tragetasche gelegt und war entflohen.
    Sie wollte ihre Freiheit nutzen und fuhr zu dem großen Sainsbury-Supermarkt in Kirkcaldy. Wenn sie nach dem Einkauf noch genug Energie hatte, konnte sie ja noch bei ihren Eltern reinschauen. Sie hatten Davina nicht mehr gesehen, seit sie aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen war. Vielleicht würde ein Besuch ihrer Enkelin helfen, ihren Trübsinn zu verscheuchen. Sie brauchten etwas, was sie dazu brachte, wieder mehr an der Zukunft als an der Vergangenheit teilzunehmen.
    Als sie bei Halbeath von der Autobahn abfuhr, ging die Benzinleuchte am Armaturenbrett an. Rational war ihr klar, dass sie mehr als genug Treibstoff hatte, um nach Kirkcaldy und wieder zurück zu kommen, aber da sie das Kind dabeihatte, wollte sie kein Risiko eingehen. An der Ausfahrt zur Tankstelle setzte sie den Winker und fuhr zu den Zapfsäulen, ohne dabei den Wagen zu bemerken, der schon hinter ihr herfuhr, seit sie North Queensferry verlassen hatte.
    Lynn füllte den Tank und ging dann schnell hinein, um zu zahlen. Während ihre Kreditkarte überprüft wurde, blickte sie auf den Vorplatz hinaus.
    Zuerst begriff sie nichts. Was da draußen vor sich ging, war abwegig, es konnte nicht sein. Dann fiel der Groschen. Lynn schrie so laut sie konnte und stolperte auf die Tür zu, ihre Tasche fiel herunter, und beim Weiterrennen verstreute sich der Inhalt auf dem Boden.
    Ein silberner Golf stand mit laufendem Motor und weit offener Tür hinter ihrem Wagen. Auch die Beifahrertür ihres Autos war offen und verdeckte die Sicht auf jemanden, der sich hineinbeugte. Als sie die schwere Tür des Tankstellen-Shops aufriss, richtete sich ein Mann auf, dem dichtes schwarzes Haar über die Augen fiel. Er hielt Davinas Tragetasche umklammert, warf einen Blick in ihre Richtung und rannte dann zu dem anderen Auto. Davinas Schrei durchschnitt die Luft wie ein Messer.
    Halb schob er und halb warf er die Tragetasche auf seinen Beifahrersitz und sprang dann hinein. Lynn hatte ihn fast erreicht. Er legte den Gang ein und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
    Ohne auf den Schmerz ihrer halb verheilten Wunde zu achten, warf sich Lynn auf den wild schlingernden Golf, der an ihr vorbeiraste. Sie versuchte die Finger verzweifelt festzukrallen, fand aber keinen Halt, und ihr Schwung ließ sie nach vorn auf die Knie fallen.
    »Nein«, schrie sie und hämmerte mit den Fäusten auf den Boden. »Nein.« Sie versuchte aufzustehen, zu ihrem Wagen zu gehen und hinter ihm herzujagen. Aber ihre Beine trugen sie nicht mehr, sie brach zusammen und fiel von Angst gelähmt zu Boden.
    Graham Macfadyen frohlockte, als er die A92 entlangdonnerte und sich vom Autohof in Halbeath entfernte. Er hatte es geschafft. Er hatte das Kind in seiner Gewalt. Er warf einen schnellen Blick darauf, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Sobald er auf die Schnellstraße gekommen war, hörte es auf, so durchdringend zu schreien. Er hatte gehört, dass Babys das Gefühl, in einem Auto zu fahren, mögen, was bei diesem hier jedenfalls zu stimmen schien. Es schaute gelassen und ruhig mit seinen blauen Augen zu ihm hoch. Am Ende der Schnellstraße war er auf kleine Wege abgebogen, um der Polizei auszuweichen. Danach würde er anhalten und die Tasche richtig anschnallen. Er wollte nicht, dass ihm schon jetzt etwas passierte. Er wollte Alex Gilbey bestrafen, und je länger das Baby lebte und es ihm offenbar gut ging, desto mehr würde Gilbey leiden. Er würde das Baby als Geisel bei sich behalten, solange es ihm nützte.
    Es war lächerlich leicht gewesen. Die Leute sollten wirklich besser aufpassen. Es war erstaunlich, dass nicht mehr Kinder Fremden in die Hände fielen.
    Das würde die Leute endlich aufhorchen lassen, dachte er. Er würde das Baby mit nach Hause nehmen und die Türen abschließen. Es würde zu einer Belagerung kommen. Die Medien würden in Scharen erscheinen, und er würde erklären können, warum er sich zu so extremen Maßnahmen gezwungen sah. Wenn sie hörten, wie die Polizei von Fife die Mörder seiner Mutter schützte, würden sie verstehen, warum ihn das zu solch einer Tat trieb, die nicht zu ihm passte. Und wenn auch das nicht funktionierte, hatte er noch eine letzte Karte, die er ausspielen konnte. Er sah auf das schläfrige Baby hinunter.

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