Echo gluecklicher Tage - Roman
zu deiner Familie. Sie müssen dich vermissen.«
»Meine Eltern sind tot«, erwiderte Beth und erklärte ihm, was passiert war. »Ich weiß nicht, warum ich dir das sage«, schloss sie schließlich verlegen. »Ich habe es noch nie jemandem erzählt.«
Jefferson zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich, weil du mir das Bild gezeigt hast. Dann fällt einem vieles wieder ein. Ich habe auch so ein Bild.«
»Von einem kleinen Mädchen?«
»Nein.« Er lachte. »Ein Bild von dir, als du abends hier gespielt hast. Ich habe es erst vor ein paar Tagen abgeholt. Wenn ich es anschaue, muss ich daran denken, was wohl gewesen wäre, wenn ich ...« Er brach ab und grinste sie an.
»Wenn du was?«
»Wenn ich ein anderer Mann wäre. Wenn ich nach jener Nacht zu dir gegangen wäre und dir gesagt hätte, was ich damals gefühlt habe.«
»Was hast du denn gefühlt?«, flüsterte sie.
»Es war, als wäre alles wieder brandneu. So als könnte es ein Leben ohne Lug und Betrug geben. Aber ich schätze, ich war nicht mutig genug, es auszuprobieren.«
Beth hob die Hand und kniff ihm sanft in die Wange. »Du warst mutig genug, es mir jetzt zu sagen. Ich werde es mir merken und irgendwann darüber nachdenken.«
Sie redeten noch eine Weile über alles, was sich seit ihrer Ankunft in Skagway verändert hatte und wie es in einigen Jahren hier aussehen würde. Er erkundigte sich nach Sam und Jack, erwähnte Theo jedoch nicht.
»Traut keinem beim Aufstieg über den Pass«, sagte er plötzlich. »Es gibt da oben Männer, die wie Goldsucher aussehen. Sie tragen einen Rucksack und sind genauso dreckig wie alle anderen. Sie sind freundlich, bieten euch was Heißes zu trinken an oder dass ihr euch an ihrem Feuer aufwärmen könnt. Aber das sind keine Goldsucher, sondern Betrüger, die euch ausnehmen wollen.«
Ein Gefühl sagte ihr, dass diese Männer, von denen er sprach, vielleicht in seinen Diensten standen, aber sie bedankte sich für seinen Rat und sagte, dass es Zeit werde zu gehen.
Er nahm ihre Hand, als sie den Saloon verließen, um sein Pferd aus dem Stall zu holen, und die Berührung seiner glatten Hand jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
Ein Mann holte ihnen eine Fuchsstute, und während er sie festhielt, verschränkte Jefferson die Hände, damit Beth ihren Fuß hineinstellen konnte, und half ihr in den Sattel. Dann schwang er sich mit einer eleganten Bewegung hinter sie, legte den Arm um sie und griff nach den Zügeln.
Er schnalzte mit der Zunge, und sie galoppierten die Straße hinunter in Richtung Dyea.
In Skagway achtete man wegen des Lärms und des Durcheinanders oft gar nicht auf die schöne Landschaft, die es umgab. Aber nachdem sie den Tumult hinter sich gelassen hatten und Beth die Wintersonne auf dem türkisfarbenen Wasser des Lynn Canals glitzern sah und die schneebedeckten Gipfel betrachtete, wurde sie ihr plötzlich wieder bewusst.
Während sie ritten, deutete Jefferson auf zwei Möwen auf dem Wasser und einen Weißkopfseeadler, der auf einer Tanne saß. Beth wünschte, sie hätten früher Zeit für einen kleinen Ausflug wie diesen gehabt und sich wirklich unterhalten.
Viele Gruppen von Leuten waren auf dem Weg nach Dyea. Einige schoben Handwagen, auf denen sich ihr Gepäck stapelte, andere benutzten Maulesel oder Pferdewagen. Plötzlich entdeckte Beth die anderen drei und ihren Wagen vor sich. »Ich glaube, du solltest mich hier absetzen«, sagte sie. »Ich habe sie schnell eingeholt.«
Jefferson sprang so geschmeidig wie eine Katze vom Pferd, griff nach oben, umfasste ihre Taille und schwang sie herunter. Aber er ließ sie nicht los. »Leb wohl, meine Gypsy Queen«, sagte er. »Pass gut auf dich auf, und denk manchmal an mich.«
Er küsste sie, lange und hart, und hielt sie fest, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. Dann löste er sich von ihr, sprang auf sein Pferd, riss es herum und galoppierte davon.
Beth stand einen Moment lang auf dem Weg und sah auf das rotbraune Hinterteil des Pferdes, auf Jeffersons geraden Rücken und seinen schwarzen Hut, und es versetzte ihr einen kleinen Stich, als sie daran dachte, was vielleicht hätte sein können.
28
»Gott helfe uns!«, rief Beth, als sie müde das Sheep Camp erreichten, den letzten Ort, wo sie Feuerholz und Proviant bekommen konnten, bevor es in die Berge ging.
Sie waren seit drei Tagen unterwegs und nur schrecklich langsam vorangekommen, während sie und Tausende andere Goldsucher ihre Wagen und Schlitten den von Schlaglöchern
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