Echo gluecklicher Tage - Roman
gewesen, den die indianischen Träger für jeden Sack verlangten. Jetzt jedoch, nachdem sie den Berg gesehen hatte, über den das alles geschleppt werden musste, wurde ihr ganz übel bei dem Gedanken, was es bedeuten würde, es selbst zu tragen. Sie schickte im Stillen ein Dankgebet zum Himmel, dass es ihnen gelungen war, das Geld für die Träger zusammenzubekommen. Sie war nicht sicher, ob sie in der Lage sein würde, auch nur einen Sack auf dem Rücken bis zum Gipfel zu tragen, ganz zu schweigen davon, es immer und immer zu wiederholen.
Die sogenannten Hotels ähnelten keinem der Hotels, die Beth jemals gesehen hatte, doch sie entdeckte bald, dass eine Übernachtung das Gleiche kostete wie in New York. Es waren einfache Hütten ohne Betten, in denen man nur einen Platz auf dem Fußboden bekam, mit Dutzenden von anderen um einen herum. Wenn man sich ein Essen kaufte, dann kostete es den Verdienst von zwei Tagen.
Sie stellte fest, dass man im Sheep Camp alles bekam, vorausgesetzt, man hatte genug Geld. Whiskey, dunkle Brillen gegen die Schneeblindheit, Schlitten, Pelzmützen, selbst Süßigkeiten. Es gab sogar Huren, die für fünf Dollar dafür sorgten, dass ein Mann seine letzte halbwegs komfortable Nacht genießen konnte, bevor er zum Gipfel aufbrach.
Trotz ihrer Erschöpfung nach der anstrengenden Wanderung des Tages musste Beth über diese Huren lächeln, denn es waren die hässlichsten, schmutzigsten Frauen, die sie seit der Hemdenfabrik in Montreal gesehen hatte. Einige trugen zerrissene Satinkleider, eine Decke, die sie sich wie einen Umhang um die Schultern gelegt hatten, schwere Männerstiefel an den Füßen und die Haare in Rattenschwänzen. Doch es gab viele, die ihre Dienste in Anspruch nahmen.
Wenn man einmal im »Hotel« war, von allen Seiten umgeben von anderen Menschen, gab es keine Möglichkeit, nachts noch einmal nach draußen zu kommen. Beth war zwischen Theo und Sam eingepfercht, und der Gestank nach Füßen und anderen Körperausdünstungen war so extrem, dass sie sich die pelzbesetzte Kapuze über den Mund und die Nase legte und hoffte, dass die Erschöpfung sie schlafen lassen würde.
Sie lag jedoch fast die ganze Nacht wach und lauschte dem Orchester der verschiedenen Schnarchgeräusche. Es gab lautes Schnarchen, das wie eine Dampflok klang, hohes Quietschen, normales Schnarchen und manchmal unregelmäßiges, und immer mal wieder furzte, hustete oder stöhnte jemand. Ein Mann klang, als würde er beten, ein anderer fluchte im Schlaf. Es war, als ob Dutzende merkwürdige Instrumente gleichzeitig gestimmt wurden.
Theos Atem ging schwer, Sams leicht. Jack lag hinter Sam, aber sie konnte in diesem Lärm nicht unterscheiden, welche Geräusche von ihm stammten. Beth war sich bewusst, dass dies wahrscheinlich die bequemste und wärmste Nacht war, die sie in den nächsten Wochen erwarten konnte, und das machte ihr noch mehr Angst. Warum tat sie sich das überhaupt an? Sie machte sich nichts aus Gold, und sie konnte in Skagway genug Geld verdienen, um nächstes Jahr mit einem gewissen finanziellen Polster ein Schiff zurück nach England zu nehmen. Was, wenn es eine Lawine gab, während sie in den Bergen waren, und sie lebendig begraben wurden? Was, wenn sie hinfiel und sich ein Bein oder einen Arm brach? Was dann?
Sie musste irgendwann doch eingeschlafen sein, denn plötzlich schüttelte Jack sie und sagte, es sei Zeit, aufzubrechen.
Gegen Mittag war Beth bereits überzeugt davon, keinen einzigen Schritt mehr weitergehen zu können. Der Rucksack auf ihrem Rücken war zwar klein – er wog nur rund zwölf Kilo und enthielt nur trockene Kleidung, während die Männer welche trugen, die doppelt so schwer waren, und Sam und Jack zusätzlich jeder noch einen Schlitten zogen –, dennoch fühlte er sich an wie eine Tonne. Der Schnee unter ihren Füßen war hart gefroren, aber uneben wegen der Steine, die darunterlagen, und sie musste bei jedem Schritt aufpassen, wo sie hintrat, und einen dicken Stock benutzen, um sich keuchend und schnaufend weiter nach oben zu kämpfen.
Sie schwitzte in ihren vielen Sachen von der Anstrengung, aber als sie einmal ihren pelzbesetzten Mantel auszog, fror sie sofort im eisigen Wind. Sie wollte etwas Heißes trinken und sich setzen, ihre Augen tränten vom eisigen Wind, ihre Lippen waren aufgeplatzt, und jeder Knochen in ihrem Körper schrie, dass sie stehen bleiben solle. Sie verfluchte ihren langen Rock und die Unterröcke, in denen bei jedem Schritt der Schnee
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