Echo gluecklicher Tage - Roman
Lügner oder irgendetwas anderes dieser Art durch ein Lächeln oder eine gehobene Augenbraue mitteilen. Manchmal konnte sie das Lachen nicht unterdrücken und musste sich hinter die Bar hocken oder nach hinten laufen, aus Angst, nach einer Erklärung gefragt zu werden.
Aber es waren die Abende, an denen sie ihn am meisten vermisste, denn sie waren immer gegen sechs Uhr essen gegangen. Wenn sie zurückkamen, hatte sie sich umgezogen und sich die Haare aufgesteckt, und später, wenn sie in den Saloon kam, um zu spielen, hatte er immer einen bewundernden Pfiff ausgestoßen. Er war immer da gewesen, hatte sie immer bewundert und unterstützt, war immer der Freund gewesen, der sie niemals im Stich ließ. Mit ihm hatte sie jederzeit reden können, Tag und Nacht, und er hatte auch einfach schweigend mit ihr zusammengesessen, wenn es das war, was sie wollte.
Und so war es immer schon gewesen. Wenn er sie nicht gedrängt hätte, ins Heaney’s zu gehen, dann hätte sie vielleicht nie öffentlich gespielt, sondern sich einen Job als Verkäuferin gesucht. Er war nicht gegangen, als sie ihn für Theo verließ, und trotz all der Frauen, die es seitdem in seinem Leben gegeben hatte, und es waren viele gewesen, hatte er nie zugelassen, dass sich eine davon zwischen sie drängte.
Er hatte sie nach ihrer Fehlgeburt bestärkt und getröstet und sich in Skagway um alles gekümmert. Er hatte sie über den Chilkoot Pass gebracht. Er hatte mit ihr um Sam getrauert und verstanden, wie sehr Mollys Tod sie traf. Er hatte sogar mit ihr gelitten, als Theo sie verließ.
Aber jetzt war er in sein eigenes Leben aufgebrochen, und sosehr sie ihn auch vermisste, sie freute sich für ihn. Er hatte Sam, Theo und sie viel zu lange unterstützt; es wurde Zeit, dass er seine Energie und seine Fähigkeiten für sich selbst nutzte.
Und ihr wurde klar, dass sie dasselbe tun musste.
Von dem Moment an, als sie Theo kennenlernte und ihm ihr Herz schenkte, hatte sie ihr Leben praktisch in seine Hände gelegt. Sie hatte sich nie gefragt, ob sie wirklich Teil seiner grandiosen Pläne sein wollte; tatsächlich hatte sie sogar verlernt, selbst welche zu schmieden. Im Rückblick kam es ihr unglaublich vor, dass sie so viele tausend Meilen gereist war und so viele Beschwernisse auf sich genommen hatte, nur um an seiner Seite zu sein.
Ein paar Wochen nach Jacks Weggang kämmte sie sich eines Morgens in ihrem Zimmer das Haar, als ihr plötzlich klar wurde, dass One Eye sie genauso benutzte wie Heaney in New York. Die Tatsache, dass sie das Geld aus dem Hut nahm und ihm dankbar dafür war, dass er sie in ihrem Zimmer wohnen ließ, spielte ihm in die Hände. Sie wurde ausgenutzt, und wenn sie nicht aufpasste, dann saß sie genauso in der Falle wie Dolores und die anderen Mädchen aus dem Saloon.
Sie verdiente ungefähr zweihundert Dollar pro Woche, aber die hohen Lebenshaltungskosten in Dawson fraßen einen Großteil davon auf, denn sie hatte sich neue Kleider, einen Pelzmantel, um sie draußen zu wärmen, und dicke, pelzgefütterte Stiefel gekauft.
In der ganzen Aufregung, hier anzukommen und Teil des Wahnsinns von Dawson zu sein, war ihr der Grund entfallen, wieso sie überhaupt auf diese gefährliche Reise gegangen waren. Eigentlich hatten sie hier ein Vermögen verdienen wollen.
Theo hatte das getan, aber alles, was Beth als Lohn für ihre harte Arbeit vorweisen konnte, waren Ersparnisse von hundertsechzig Dollar. Damit würde sie nicht weit kommen.
»Komm schon, Schätzchen, gib mir einen Kuss!«
Beth wich angewidert zurück, als One Eye betrunken nach ihr griff. Er trug seinen gelb-schwarz karierten Anzug, und die Weste saß so eng, dass ein Teil seines Bauches darunter hervorlugte. Sein Gesicht war rot und glänzte vor Schweiß, und sein Atem stank.
Es war vier Uhr morgens, und es war sehr viel zu tun gewesen, denn es hatte ein Pokerspiel mit hohen Einsätzen stattgefunden. Wie immer hatte One Eye den ganzen Abend an einem Tisch gesessen und mit seinen Kumpanen getrunken und sich nur umgedreht, um noch mehr Drinks zu bestellen oder um eine der Huren aus der Paradise Alley zu befummeln, die in letzter Zeit oft hierherkamen.
Das Pokerspiel war seit einer Stunde vorbei. Alle Spieler waren nach Hause gegangen, und die einzigen verbliebenen Gäste waren sieben Männer, die so betrunken waren, dass sie entweder mit den Köpfen auf den Tischen schliefen oder auf ihren Stühlen gefährlich schwankten.
Der derzeitige Barkeeper, der als Sly, das Schlitzohr,
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