Echo gluecklicher Tage - Roman
irgendwann auch in sein Bett kriegen.
»Hör zu, meine kleine Gypsy Queen«, sagte er in beschwichtigendem Tonfall. »Es tut mir leid, dass dein Freund dich verlassen hat; er ist ein Lump, weil er dir das angetan hat. Aber ich habe für diesen Laden viel Geld bezahlt, und jetzt muss er etwas abwerfen. Deshalb muss ich diese beiden Zimmer vermieten. Aber ich sage dir was, ich lasse den Hut rumgehen, wenn du spielst, und du kannst alles behalten, was reingeworfen wird. Wie klingt das?«
Beth war noch zu geschockt, um weiter zu protestieren. Ohne Theo würde es sowieso kein richtiges Heim mehr für sie sein, also nahm sie an, dass es keine Rolle spielte, ob vier Frauen bei ihnen einzogen.
Wie immer beruhigte sie das Geigespielen an diesem Abend. Vielleicht schaffte sie es nicht, die Leute dazu zu bringen, aufzustehen und zu tanzen – tatsächlich hatten einige im Publikum bei ihren traurigen Melodien Tränen in den Augen. Aber als der Hut herumging und wieder bei ihr ankam, zählte sie über fünfunddreißig Dollar, die Bestätigung, dass sie ein einmaliges Talent besaß, durch das sie niemals würde hungern müssen.
Es war ein ruhiger Abend, und One Eye ließ sie um ein Uhr schließen, weil nur wenige Leute kamen. Die Frauen sollten erst am nächsten Tag einziehen, deshalb nahm Jack sich eine Flasche Whiskey und erklärte, dass sie ihren Kummer damit ertränken könnten.
»Ich wette, Theo hatte diesen Deal mit One Eye schon länger geplant, aber nicht den Mut, es durchzuziehen«, sagte Jack ein bisschen später, als sie mit der Decke über den Beinen an den beiden Enden von Beths Bett saßen und tranken. »Und als er dann hörte, wie dieser Kerl über Soapy Smith und dich sprach, sah er darin die perfekte Möglichkeit zu gehen, ohne wie ein totaler Schuft dazustehen.«
»Aber das bedeutet, dass ich ihm schon lange nichts mehr bedeutet habe«, sagte Beth und musste erneut mit den Tränen kämpfen. »Warum konnte er das denn nicht zugeben?«
»Ich bezweifle, dass es daran lag. Er war durch und durch ein Spieler«, erinnerte Jack sie. »Ich wette, dass er nur an das Geld dachte, das er dann besitzen würde. Alles in allem müssen es mit den Einnahmen und allem, was noch auf der Bank war, mehr als achtzigtausend gewesen sein. Das reicht für jede Menge Pokerspiele. Oder vielleicht hat er das Geld auch einfach als einen großen Gewinn gesehen und geglaubt, aussteigen zu müssen, solange das Glück ihm noch hold war.«
»Aber ich habe immer zu ihm gehalten. Er hat gesagt, dass er mich liebt, und er hat gewusst, dass ich überall mit ihm hingegangen wäre. Warum wollte er mich nicht mitnehmen?«
»Ich weiß es nicht, Beth.« Jack schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber erinnere dich doch daran, wie es war, seit wir Philadelphia verlassen haben. Sam und ich mussten ihn immer mit durchbringen. Sicher, er hat seine Gewinne mit uns geteilt, aber ohne uns wäre er niemals durch Kanada gekommen, und hierher schon gar nicht. Vielleicht war ihm das klar, und es war ihm unangenehm. Mit dem Geld durchzubrennen könnte ihm das Gefühl gegeben haben, frei zu sein.«
»Und jetzt wird er sich irgendeine Frau aus der gehobenen Gesellschaft suchen, die ihm nicht peinlich sein muss«, sagte sie verbittert. »Denk doch nur, wie er in Montreal war, immer auf der Suche nach Leuten mit Rang und Namen, mit denen er zusammen sein konnte. Es war ihm egal, dass ich in einer Fabrik arbeiten und in einer armseligen Hütte leben musste. Ich wette, er war froh, als ich die Fehlgeburt hatte und der Doktor sagte, ich könne keine Kinder mehr bekommen. Auf diese Weise musste er keine Verantwortung übernehmen. Was für eine Närrin ich war!«
Jack nahm ihre Hand und drückte sie mitfühlend. Aber er widersprach ihr nicht, indem er sagte, dass sie sich irre.
»Ich hoffe wirklich, dass er das ganze Geld beim nächsten Spiel verliert«, sagte sie wütend. »Wenn er in der Gosse liegt und nichts mehr hat, dann hoffe ich, dass er auf Knien zu mir zurückgekrochen kommt. Und dann trete ich ihm ins Gesicht.«
Sie tranken schweigend noch eine Weile weiter, beide in ihre verbitterten Gedanken vertieft.
»War da was zwischen Soapy und dir?«, fragte Jack später. »Ich weiß, du hast eine Nacht mit ihm verbracht, aber war da mehr zwischen euch?«
»Nein, aber da hätte mehr sein können.« Sie seufzte, dann erzählte sie Jack, wie sie Soapy kennengelernt und wie sie an ihrem letzten Tag in Skagway noch etwas mit ihm getrunken hatte und dass sie später
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