Echo gluecklicher Tage - Roman
gefallen wird. Außerdem gehen dort auch einige Leute hin, denen Lokale in den gehobeneren Vierteln gehören. Wir würden auf uns aufmerksam machen. Nicht viele Lokalbesitzer haben einen so hübschen Mann hinter der Bar, der eine Schwester mitbringt, die dafür sorgt, dass alle mit den Füßen wippen. Wir würden ihnen viel Geld einbringen.«
Das waren genau die Worte, die Jack benutzt hatte. Aber das verschwieg sie Sam lieber, denn sie wusste, dass er die Idee dann sofort ablehnen würde.
»Du würdest wirklich in einer dieser Absteigen spielen?«, fragte Sam ungläubig.
»Warum nicht? Ich kann dort genauso gut Erfahrungen sammeln wie anderswo, und besser als in irgendeinem versnobten Laden, wo irgendein Schlaumeier es sofort merkt, wenn ich mal einen Ton nicht treffe«, verteidigte sie sich. »Du weißt, dass ich schon in allen respektablen Hotels war und gefragt habe, ob sie eine Pianistin brauchen. Sie werfen einen Blick auf mich und weisen mich ab, ohne dass ich Gelegenheit bekomme, ihnen zu zeigen, was ich kann. Ich war in Geschäften, Restaurants, Austernbars und bekomme dort nicht mal einen Job als Tellerwäscherin. Außerdem spiele ich lieber Geige. Wenn ich mir in der Bowery einen Namen machen kann, dann ändert das vielleicht alles.«
»Sie werden dich da unten für eine Hure halten«, sagte Sam missbilligend. »Ich könnte nicht auf dich aufpassen, wenn ich hinter der Theke stehe.«
»Es würde reichen, wenn die Leute wissen, dass du mein Bruder bist«, beharrte sie, denn das war es, was Jack glaubte. Er hatte außerdem versprochen, dass er und alle seine Freunde ebenfalls dort sein würden. »Ich komme zurecht – ein Mann hätte es schwer, etwas Unanständiges mit mir zu machen, während ich Geige spiele.«
Sam sagte nichts, aber sie spürte, dass sein Widerstand nachließ, wenn auch nur, weil er fand, dass er durch ihr Geigespiel selbst besser dastehen würde.
»Versuchen wir es«, bettelte sie. »Ich habe gehört, dass das Heaney’s einer der besten Saloons sein soll, und sie brauchen einen Barkeeper. Was hast du zu verlieren? Wir arbeiten einen Abend, sehen, wie es läuft, und wenn es dir nicht gefällt, dann gehen wir nicht wieder hin.«
Jack hatte gesagt, dass Sam ein Magnet für die Tänzerinnen der Gegend sein würde, und war davon überzeugt, dass er es toll finden würde, wenn er im Mittelpunkt stand. Beth war nicht glücklich bei dem Gedanken, dass diese Art von Mädchen hinter ihrem Bruder her sein würde, aber sie wäre ja ebenfalls da, um auf ihn aufzupassen.
»Also gut«, sagte er säuerlich. »Aber es ist deine Schuld, wenn etwas Schlimmes passiert.«
»Was könnte schlimmer sein, als hungrig und obdachlos zu sein?«, erwiderte sie scharf. »Und genau das werden wir sein, wenn wir kein Geld mehr haben.«
Um acht Uhr am folgenden Abend hatte Beth trotz ihrer forschen Worte schreckliche Angst.
Sam und sie waren mittags ins Heaney’s gegangen und hatten Pat »Scarface« Heaney, den Besitzer, nach einem Job gefragt. Er war ein kleiner, aber sehr muskulöser Mann von Mitte vierzig, und das wenige Haar, das er noch besaß, war fuchsrot. Er trug einen grellgrünen Mantel, der zwar sehr auffällig war, aber nicht von der beeindruckenden Rasierklingennarbe ablenkte, die von seinem rechten Auge bis zu seinem Kinn verlief. Jack hatte Beth erzählt, dass er sie als junger Mann bekommen hatte, als er im Tombs einsaß, dem großen Gefängnis, das man gebaut hatte, um die Probleme in Five Points zu lösen, wo Heaney der Kopf einer Bande gewesen war.
Die Bowery war eine Vergnügungsstraße, an der Saloons, Musik- und Tanzlokale, Theater, deutsche Kneipen und Restaurants lagen. Abends waren die Bürgersteige voller Stände, an denen von Hotdogs bis hin zu Früchten und Süßigkeiten alles verkauft wurde. Es gab die sogenannten »Museen«, doch tatsächlich waren es Freakshows, wo man für ein paar Cent die Bärtige Frau, Zwerge, dressierte Affen oder andere Kuriositäten zu sehen bekam. Prostituierte mischten sich unter die Menge, und natürlich gab es auch Taschendiebe. Aber hauptsächlich war es die Spielwiese für die einfachen Arbeiter.
Jack hatte gesagt, dass die Gäste im Heaney’s vergleichbar waren mit denen, die in die großen, lauten Wirtshäuser in der Nähe der Lime Street Station in Liverpool gingen – Droschkenkutscher, Tischler und Maschinisten. Er hatte auch betont, dass das Heaney’s mit seiner polierten Mahagoni-Theke, den riesigen Spiegeln dahinter und dem vielen
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