Echo gluecklicher Tage - Roman
polierten Messing und dem sauberen Sägemehl auf dem Boden einer der schicksten Saloons an der Bowery war.
Sam sah sehr erleichtert aus, als er sich drinnen umschaute, denn die Männer, die an der Theke saßen, waren einfache Arbeiter, nicht die Schlägertypen und Trinker, die er erwartet hatte.
Pat Heaney mochte Sam auf den ersten Blick, und nach einigen wenigen Fragen sagte er zu ihm, dass er hinter die Bar gehen und die Gäste bedienen solle, während er sich mit Beth unterhielte.
»Ich will ehrlich sein«, begann Heaney, der ein großes Glas Whiskey austrank und Sam nicht aus den Augen ließ. »Frauen, vor allem hübsche, machen in Saloons nur Ärger. Aber mir gefällt die Idee einer Geige spielenden Frau, und du hast Mut, hierherzukommen und zu fragen, ob du in meinem Laden spielen kannst, wo du doch gerade erst vom Schiff runter bist.«
Beth log und erklärte, dass sie bereits öffentlich in Liverpool aufgetreten war, aber er winkte mit der Hand ab, um ihr zu verdeutlichen, dass es ihm egal war, was sie vorher gemacht hatte, und er sich nur dafür interessierte, was sie für seinen Saloon tun konnte.
»Ich gebe dir eine Chance«, sagte er. »Heute Abend um acht. Wenn die Leute dich mögen, bist du dabei; wenn nicht, dann ist Schluss. Und jetzt geh. Mehr kann ich dir nicht bieten. Ich lasse einen der Jungs mit einem Hut für dich rumgehen, und ich kriege die Hälfte von dem, was drin ist.«
Beth wurde klar, dass er alle Trümpfe in der Hand hielt. Er würde nichts verlieren, selbst wenn sie schlecht spielte.
Er war ein einschüchternder Mann, nicht nur wegen seiner Narbe oder der Muskeln, die man unter seinem dünnen Hemd sah, sondern wegen seiner unverblümten Worte und der Art, wie er sie ansah. Da war keine Wärme in seinen blassbraunen Augen, nur kalte Berechnung. Er fragte, warum Sam und sie nach Amerika gekommen seien, und als sie ihm erzählte, dass ihre Eltern beide gestorben waren und sie neu anfangen wollten, kommentierte er das nicht und sprach ihr nicht einmal sein Beileid aus.
Ihr Instinkt sagte ihr, dass er keine weiche Seite besaß und dass sie und Sam sehr vorsichtig im Umgang mit ihm sein mussten. Jack hatte ihr geraten, es zuerst bei ihm zu versuchen, weil Heaney sich selbst als den »Mann« der Bowery sah: Er war gerne der Erste, der etwas Neues ausprobierte, und eine Geige spielende Frau war das ganz sicher. Aber Jack hatte sie auch gewarnt, dass er in dem Ruf stand, ein gefährlicher Mann zu sein, wenn man sich mit ihm anlegte.
»Wie lange soll ich denn spielen?«, fragte Beth vorsichtig.
Er löste seinen Blick für einen Moment von Sam, um sie noch einmal auf diese kalte Art anzustarren. »Das hängt davon ab, ob die Leute dich mögen«, sagte er. »Wenn ich nach den ersten drei Stücken mit der Hand winke, dann gehst du. Wenn nicht, dann spielst du für eine Stunde. Und danach sage ich dir, wie es weitergeht. Verstanden?«
Beth nickte nervös.
»Hast du was Farbenfroheres als das?«, fragte er scharf und sah voller Abscheu auf ihren braunen Mantel. »Du wirst ihnen nicht gefallen, wenn du wie eine prüde Lehrerin aussiehst.«
Beth schluckte. Sie besaß nur wenige Kleider, und alle waren dunkel. »Ich versuche, was zu finden«, sagte sie.
Er stand auf und blickte auf sie herunter. »Dann geh jetzt. Und sei pünktlich um acht wieder hier. Dein Bruder kann bleiben.«
Sie zögerte an der Tür und sah noch einmal zu Sam. Er polierte ein Glas, während Heaney mit ihm sprach. Er blickte sich zu ihr um, als der Mann ging, und streckte fröhlich seinen Daumen nach oben. Aber sie sah Sorge über sein Gesicht huschen, was, wie sie annahm, daran lag, dass er sie heute Abend nicht hierher begleiten konnte.
»Alles in Ordnung«, sagte sie lautlos und hob ebenfalls den Daumen nach oben.
An diesem Nachmittag übte sie zwei Stunden lang auf der Geige und machte sich eine Liste mit all den Nummern, die sie besonders gut konnte, damit ihr am Abend nicht die Ideen ausgingen. Sie war sehr nervös, denn zu spielen, wenn sie Lust dazu hatte, war etwas ganz anderes als vor einem Raum voller Fremder.
Später wusch sie sich die Haare und ging ihre Kleider durch, während sie trockneten. Heaney wollte offenbar, dass sie etwas Auffälliges anzog, aber so etwas besaß sie nicht. Ihr hellstes Kleid war eines, das ihr kurz vor ihrer Abreise von Mrs Langworthy geschenkt worden war; sie hatte damals gesagt, dass Beth es vielleicht gebrauchen könne, wenn sie zu einer Party oder zu einer Tanzveranstaltung
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