Echo Park
Garland Oil Industries gegründet worden war. Das Unternehmen hatte ein Logo, auf dem das Wort GO! Räder hatte und nach rechts geneigt war, als wäre es ein schnell fahrendes Auto.
»Was ist damit?«, fragte er.
»Die Firmenzentrale ist downtown an der ARCO Plaza. Ich zähle zwölf GO!-Mitarbeiter, die jeweils tausend Dollar an O’Shea gespendet haben. Wie finden Sie das?«
»Sehr gut, Keisha. Danke, dass Sie noch mal angerufen haben.«
»Hat sich O’Shea schmieren lassen und dafür Waits den Mord an Gesto in die Schuhe geschoben? Ist es das?«
Bosch stöhnte ins Telefon.
»Nein, Keisha, das ist nicht, was passiert ist, und es ist auch nicht, womit ich mich beschäftige. Wenn Sie irgendwelche Telefonate in dieser Richtung führen, würde sich das negativ auf das auswirken, was ich tue. Außerdem könnten Sie dadurch sich, mich und andere in Gefahr bringen. Würden Sie dieses Thema jetzt also bitte auf sich beruhen lassen, bis ich Ihnen genau sagen kann, worum es geht und wann Sie damit an die Öffentlichkeit gehen können?«
Wieder einmal zögerte sie, bevor sie antwortete, und es war in diesem kurzen Moment des Schweigens, dass Bosch sich zum ersten Mal fragte, ob er ihr noch vertrauen konnte. Hatte sich mit ihrem Ressortwechsel von der Polizei zur Politik vielleicht eine Veränderung in ihr vollzogen? War ihre Integrität in Mitleidenschaft gezogen worden, wie bei den meisten, die mit dem ältesten Gewerbe der Welt, der politischen Hurerei, in Berührung kamen?
»Na schön, Harry, alles klar. Ich wollte Ihnen nur helfen. Aber vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe. Ich will von Ihnen hören. Und zwar bald!«
»Werden Sie, Keisha. Einen schönen Abend noch.«
Er klappte das Handy zu und versuchte seine Befürchtungen wegen der Journalistin abzuschütteln. Er dachte über die Information nach, die er von ihr erhalten hatte. O’Shea hatte von GO! und der Kanzlei Cecil Dobbs’ mindestens 25000 Dollar an Wahlkampfspenden erhalten, also von lauter Leuten, die direkt mit den Garlands in Verbindung gebracht werden konnten. Es war zwar alles ganz offiziell und legal, aber trotzdem ein wichtiger Hinweis, dass er auf der richtigen Fährte war.
Er spürte ein zufriedenes Kribbeln im Bauch. Endlich hatte er etwas, womit er arbeiten konnte. Jetzt musste er nur noch den richtigen Weg finden, die Sache anzupacken. Er ging zum Esszimmertisch und blickte auf die Polizeiprotokolle und Unterlagen hinab, die dort ausgebreitet lagen. Er griff nach dem Ordner mit der Aufschrift WAITS – HINTERGRUND und begann zu lesen.
F Ü NFUNDZWANZIG
Aus Sicht der Strafverfolger war Raynard Waits als Mordverdächtiger ein Ausnahmefall. Als sein Lieferwagen in Echo Park angehalten wurde, ging dem LAPD ein Mörder ins Netz, nach dem es gar nicht gesucht hatte. Und es hatte auch sonst keine Ermittlungsbehörde nach ihm gefahndet. In keinem Aktenschrank oder Computer existierte eine Akte über ihn. Es gab weder ein FBI-Profil noch Hintergrundinformationen, auf die man hätte zurückgreifen können. Sie hatten einen Mörder, bei dem sie gewissermaßen bei null anfangen mussten.
Aus diesem Grund waren Detective Freddy Olivas und sein Partner Ted Colbert anders als üblich an die Ermittlungen herangegangen. Der Fall hatte von Anfang an eine Eigendynamik entfaltet, die sie einfach mitgerissen hatte. Alles befand sich in Vorwärtsbewegung, in Richtung Anklage und Prozess. Da war wenig Zeit oder Veranlassung, rückwärts zu schauen. Bei seiner Festnahme hatte sich Waits im Besitz mehrerer Müllsäcke mit den Körperteilen zweier ermordeter Frauen befunden. Es war ein absoluter Glückstreffer gewesen, und deswegen hatte es niemand für nötig gehalten, der Frage auf den Grund zu gehen, wer ihnen da in die Hände gefallen war, und weshalb dieser Mann zu diesem Zeitpunkt auf dieser Straße in diesem Lieferwagen unterwegs gewesen war.
Folglich gab es in der Ermittlungsakte wenig, was Bosch weiterhalf. Sie dokumentierte in erster Linie die Bemühungen der Cops, die Opfer zu identifizieren und die Beweise für das bevorstehende Strafverfahren zu sammeln.
Die Hintergrundinformationen in der Akte beschränkten sich auf die elementaren persönlichen Daten zu Waits’ Person, die entweder vom Verdächtigen selbst stammten oder von Olivas und Colbert bei routinemäßig durchgeführten Computerrecherchen zusammengetragen worden waren. Tatsache war, dass sie sehr wenig über den Mann wussten, den sie unter Anklage stellen wollten, aber was sie
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