Echo Park
sah Rider an.
»Marie Gesto. Die Staatsanwaltschaft will die Akte.«
»Das ist doch dein Fall. Wer war das eben?«
»Jemand von Northeast. Freddy Olivas. Sagt dir der Name was?«
Rider nickte.
»Persönlich kenne ich ihn zwar nicht, aber ich habe von ihm gehört. Er leitet die Ermittlungen im Fall Raynard Waits.«
Jetzt konnte Bosch den Namen einordnen. Der Fall Waits hatte für einiges Aufsehen gesorgt. Wahrscheinlich betrachtete ihn Olivas als seine Eintrittskarte für die große Show. Das LAPD war in neunzehn Reviere gegliedert, die sogenannten Divisions, von denen jede eine eigene Polizeistation und eine eigene kriminalpolizeiliche Abteilung hatte. Weniger anspruchsvolle Fälle wurden von den Morddezernaten der einzelnen Divisions bearbeitet, und entsprechend wurden sie als Sprungbretter für den Aufstieg in die Eliteeinheiten der Robbery-Homicide Division, kurz RHD, angesehen, die im Polizeihauptquartier im Parker Center stationiert waren. Dort wurden die eigentlich interessanten Fälle bearbeitet. Und eine dieser Einheiten war die Abteilung Offen-Ungelöst. Bosch war klar, dass Olivas, falls sein Interesse an der Gesto-Akte auch nur im Entferntesten mit dem Waits-Fall zu tun hatte, mit allen Mitteln versuchen würde zu verhindern, dass sich die RHD in die Sache einmischte.
»Was da genau läuft, hat er nicht gesagt?«, fragte Rider.
»Noch nicht. Aber irgendwas ist da im Busch. Er wollte mir nicht mal sagen, mit welchem Ankläger er zusammenarbeitet.«
»Ricochet.«
»Wie bitte?«
Sie sagte es langsamer.
»Rick O’Shea. Er hat den Fall Waits übernommen. Ich bezweifle, dass Olivas nebenher noch was anderes laufen hat. Sie haben gerade die Vorverhandlungen abgeschlossen und arbeiten jetzt auf einen Prozess hin.«
Bosch sagte zunächst nichts, sondern ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Richard »Ricochet« O’Shea leitete die Special Prosecutions Section der Bezirksstaatsanwaltschaft. Er war ausgesprochen ehrgeizig und wollte unbedingt ganz nach oben kommen. Und nachdem der amtierende Bezirksstaatsanwalt im Frühjahr bekanntgegeben hatte, nicht für eine Wiederwahl zu kandidieren, war O’Shea einer der heißesten Kandidaten für das Amt. Er hatte bei den Vorwahlen die meisten Stimmen erhalten, allerdings war sein Vorsprung nicht deutlich genug ausgefallen, um sich darauf ausruhen zu können. Die endgültige Entscheidung würde in einem erbitterten Kopf-an-Kopf-Rennen fallen, bei dem O’Shea jedoch immer noch die Innenbahn hielt. Er hatte sich der Unterstützung des scheidenden Bezirksstaatsanwalts versichern können, kannte die Behörde in- und auswendig und konnte eine beneidenswerte Erfolgsbilanz vorweisen, weil er als Ankläger einige wichtige Fälle gewonnen hatte – was in den vergangenen zehn Jahren bei Anwärtern auf dieses Amt eher eine Seltenheit gewesen war. Sein Kontrahent hieß Gabriel Williams und war »einer von draußen«, wie man das in einschlägigen Kreisen nannte. Er war zwar zu Beginn seiner juristischen Laufbahn als Ankläger tätig gewesen, hatte aber die letzten zwanzig Jahre eine Privatkanzlei gehabt und sich auf Bürgerrechtsfälle spezialisiert. Im Gegensatz zu O’Shea war er schwarz. Er stellte im Fall seines Wahlsiegs in Aussicht, die Rechtssprechungspraxis im Bezirk strenger zu überwachen und, wo nötig, zu reformieren. Auch wenn die Anhänger des O’Shea-Lagers alles taten, um Williams’ Eignung und Qualifikation für das Amt des obersten Strafverfolgers öffentlich infrage zu stellen, schlugen sich sowohl der Umstand, dass er »von außen« kam, als auch die von ihm angekündigten Reformen in den Wahlprognosen recht positiv nieder. O’Sheas Vorsprung schmolz dahin.
Bosch wusste deshalb so gut über Williams’ und O’Sheas Wahlprogramme Bescheid, weil er in diesem Jahr die Kommunalwahlen mit besonderem Interesse verfolgte. Im Rennen um einen heiß umkämpften Stadtratssitz unterstützte er einen Kandidaten namens Martin Maizel. Maizel konnte bereits auf drei Amtszeiten zurückblicken und vertrat einen Bezirk in der Westside, der weit von dem Teil L. A.s entfernt lag, in dem Bosch wohnte. Er galt als versierter Machtjongleur, der Hinterzimmerzusagen machte und sich zum Nachteil seines Wahlbezirks eher den Interessen der finanzstarken Wählerkreise verpflichtet fühlte. Trotzdem hatte Bosch großzügig für seinen Wahlkampf gespendet und hoffte auf seine Wiederwahl. Sein Herausforderer war ein ehemaliger stellvertretender Polizeichef namens Irvin R.
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