Echo Park
Dodgersspiels vom Vorabend hielt sich in Grenzen. Seine Baseballbegeisterung hatte in den vergangenen Jahren merklich nachgelassen. Er benutzte die Zeitung vor allem als Sichtschutz, den er hochhalten konnte, während er in Wirklichkeit Rachel betrachtete. Abgesehen davon, dass sie das Haar länger trug, hatte sie sich kaum verändert. Immer noch von einer strahlenden Schönheit mit einem schwer greifbaren Anflug von Verletzlichkeit. Es war in ihren Augen. Sie hatte nicht die verhärteten Polizistenaugen, die er in so vielen anderen Gesichtern gesehen hatte, nicht zuletzt auch in seinem eigenen, wenn er in den Spiegel schaute. Sie hatte Augen, die etwas von ihrem inneren Schmerz preisgaben. Sie hatte die Augen eines Opfers, und das war es, was ihn an ihr anzog.
»Warum siehst du mich so an?«, fragte sie unvermittelt.
»Was?«
»Tu doch nicht so.«
»Ich habe nur …«
Er wurde vom Kellner gerettet, der an ihren Tisch kam und das Essen brachte. Walling schob die Akten beiseite, und er bemerkte ein verhaltenes Lächeln in ihrem Gesicht. Schweigend begannen sie zu essen.
»Wirklich sehr gut«, sagte sie schließlich. »Ich hatte ganz schön Hunger.«
»Ja, ich auch.«
»Und wonach hast du Ausschau gehalten?«
»Wann?«
»Während du so getan hast, als würdest du Zeitung lesen.«
»Ich – na ja, ich wollte sehen, ob du wirklich Lust hast, das alles durchzugehen. Es klang vorhin so, als hättest du ziemlich viel um die Ohren. Könnte ja sein, dass du dich mit so was gar nicht mehr beschäftigen willst.«
Sie hob ihr halbes Sandwich, biss aber nicht davon ab.
»Ich finde meinen Job schrecklich. Oder genauer, ich finde schrecklich, was ich im Moment mache. Aber es wird besser. Noch ein Jahr, und dann hab ich das Gröbste überstanden.«
»Schön. Und das hier? Ist das okay?«
Er deutete auf die Akten, die neben ihrem Teller auf dem Tisch lagen.
»Ja, aber es ist zu viel Material. Ich kann dir nicht mal ansatzweise helfen. Das Ding ist einfach überfrachtet mit Informationen.«
»Ich habe nur den heutigen Tag.«
»Warum verschiebst du das Verhör nicht einfach?«
»Weil es nicht mein Verhör ist. Und weil die Politik ihre Finger mit im Spiel hat. Der Ankläger will Bezirksstaatsanwalt werden. Er ist scharf auf Schlagzeilen. Er wird nicht warten, bis ich mich eingearbeitet habe.«
Sie nickte.
»Rick O’Shea greift durch.«
»Ich musste mich wegen Gesto nachträglich in das Verfahren reindrängen. Sie werden sicher nicht langsamer treten, nur damit ich gleichziehen kann.«
Sie legte die Hand auf den Aktenstapel, als nähme sie irgendwie Maß, um so zu einer Entscheidung zu gelangen.
»Überlass mir die Akten, wenn du mich gleich zurückfährst. Ich erledige kurz meine Arbeit im Büro, melde mich ab und mache dann hiermit weiter. Am Abend komme ich dann zu dir nach Hause und gebe dir, was ich habe. Alles.«
Auf der Suche nach einer unterschwelligen Bedeutung sah er sie forschend an.
»Wann?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Sobald ich damit durch bin. Allerspätestens um neun. Ich muss morgen früh raus. Ist das für dich okay?«
Er nickte. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Wohnst du immer noch in dem Haus oben auf dem Hügel?«, fragte sie.
»Ja. Im Woodrow Wilson Drive.«
»Gut. Ich wohne nicht weit vom Beverly, das ist relativ nah. Ich komme zu dir hoch. Ich kann mich noch gut an die Aussicht erinnern.«
Bosch antwortete nicht. Er war sich nicht sicher, was er sich da gerade in sein Leben geholt hatte.
»Kann ich dir eine kleine Hausaufgabe mit auf den Weg geben?«, fragte sie. »Vielleicht auch was zum Nachprüfen?«
»Klar – was?«
»Der Name. Ist das sein richtiger Name?«
Bosch runzelte die Stirn. Über den Namen hatte er sich bisher nie Gedanken gemacht. Er war davon ausgegangen, dass es sein richtiger war. Waits befand sich in Haft. Sie hatten sicher seine Fingerabdrücke durch den Computer laufen lassen, um seine Identität zu bestätigen.
»Ich denke schon. Seine Fingerabdrücke stimmen mit denen einer früheren Festnahme überein. Damals hat er zwar einen falschen Namen angegeben, aber er konnte anhand eines Daumenabdrucks in der Datenbank der Führerschein- und Zulassungsstelle als Waits identifiziert werden. Warum?«
»Weißt du, was ein reynard ist? Reynard mit e-y geschrieb en statt mit a-y. «
Bosch schüttelte den Kopf. Darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Über den Namen hatte er sich keinerlei Gedanken gemacht.
»Nein. Was ist ein reynard?«
»So
Weitere Kostenlose Bücher