Echo Park
und fuhr dann in Richtung Sunset Boulevard los, um dort in Richtung Silver Lake abzubiegen. Sie würden unterwegs durch Echo Park kommen.
»Und was genau willst du von mir, Harry?«
Sie schlug den obersten Ordner auf und begann zu lesen.
»Ich möchte, dass du da mal einen Blick reinwirfst und mir sagst, was du für einen Eindruck von dem Kerl hast. Ich muss morgen mit ihm reden und möchte möglichst viel über ihn wissen. Ich will auf keinen Fall derjenige sein, der da über den Tisch gezogen wird.«
»Ich habe von dem Kerl gehört. Der Echo-Park-Metzger, richtig?«
»Müllsack-Mann«, korrigierte er sie.
»Ah.«
»Ich habe von früher eine Verbindung zu dem Fall.«
»Welcher Art?«
»Ich war 1993 bei der Hollywood Division und bekam damals den Fall eines vermissten Mädchens zugeteilt. Sie hieß Marie Gesto und wurde nie gefunden. Die Sache sorgte für einiges Aufsehen, und die Medien berichteten ausführlich darüber. Der Typ, mit dem ich morgen reden soll, Raynard Waits – er sagt, das ist einer der Fälle in dem Paket, das er uns morgen zur Verhandlung anbietet.«
Sie sah zu ihm hoch und dann wieder auf die Akte.
»Da ich weiß, wie sehr du dir einen Fall zu Herzen nimmst, frage ich mich, ob es wirklich klug ist, wenn du dich jetzt auf diesen Mann einlässt.«
»Keine Sorge. Es ist immer noch mein Fall. Und ein guter Detective nimmt sich seine Arbeit immer zu Herzen. Das ist der einzig wahre Weg.«
Als er zu ihr hinübersah, verdrehte sie die Augen.
»Gesprochen wie der Zen-Meister des Morddezernats. Wohin fahren wir?«
»Ins Duffy’s. Das ist in Silver Lake. Wir sind in fünf Minuten da, und du wirst begeistert sein. Aber fang bitte nicht an, deine FBI-Kumpel dorthin zu schleppen. Damit würdest du es garantiert ruinieren.«
»Also gut, versprochen.«
»Reicht deine Zeit dafür?«
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich heute noch nicht zu Mittag gegessen habe. Ich muss allerdings irgendwann noch mal zurück, um mich abzumelden.«
»Heißt das, du bist im Bundesgericht stationiert?«
Sie blätterte weiter in der Akte, während sie antwortete.
»Nein, wir sind ausgelagert.«
»Eine dieser geheimen FBI-Niederlassungen?«
»Du kennst doch die Regeln. Wenn ich es dir erzähle, muss ich dich anschließend umbringen.«
Bosch nickte über ihren Scherz.
»Du darfst mir also nicht erzählen, was Taktik ist?«
»Alles nur halb so wild. Es ist die Kurzform für Taktischer Nachrichtendienst. Wir sind Sammler. Wir analysieren Rohdaten, die wir aus dem Internet, aus Funkübertragungen und Satelliteneinspeisungen ziehen. Ziemlich langweilige Angelegenheit.«
»Und das Ganze ist legal?«
»Vorerst ja.«
»Hört sich nach Terroristenjagd an.«
»Nur dass es meistens darauf hinausläuft, dass wir der Drogenfahndung ein paar Tipps zukommen lassen. Und letztes Jahr sind wir über dreißig verschiedenen Internetbetrügereien in Zusammenhang mit der Hurrikanhilfe auf die Schliche gekommen. Wie gesagt, lauter Rohdaten. Die können überallhin führen.«
»Du hast also die endlose Weite South Dakotas gegen downtown L. A. eingetauscht.«
»Was meine Karriere angeht, war das sicher der richtige Schritt. Ich bereue ihn nicht, obwohl ich ein paar Dinge an Dakota vermisse. Aber vielleicht sollte ich mich lieber auf das hier konzentrieren. Du möchtest doch meine Meinung dazu hören, oder?«
»Natürlich, entschuldige. Ich werde dich jetzt in Frieden lassen.«
Die nächsten Minuten schwiegen sie, bis Bosch vor einem kleinen Restaurant anhielt. Er nahm die Zeitung mit nach drinnen. Sie sagte, sie nähme das Gleiche wie er. Aber als der Kellner kam und Bosch ein Omelett bestellte, überlegte sie es sich anders und begann, die Speisekarte zu studieren.
»Ich dachte, wir wollten zu Mittag essen, nicht frühstücken.«
»Frühstück hatte ich auch keines. Und die Omeletts hier sind ganz hervorragend.«
Sie bestellte ein Putensandwich und gab dem Kellner die Speisekarte zurück.
»Mach dir bitte keine falschen Hoffnungen«, sagte sie, als sie wieder allein waren. »Mein Eindruck wird sehr oberflächlich sein. Die Zeit reicht nicht aus, ein umfassendes psychologisches Profil zu erstellen. Ich werde nur an der Oberfläche kratzen können.«
Bosch nickte.
»Schon klar. Aber da es eilt, gebe ich mich mit dem zufrieden, was du mir gleich liefern kannst.«
Ohne etwas zu erwidern, wandte sie sich wieder den Akten zu. Bosch blätterte zum Sportteil weiter, aber sein Interesse für die Zusammenfassung des
Weitere Kostenlose Bücher