Echo Park
meinst, dein Fensterputzer-Serienmörder war ein Experte in mittelalterlicher Volkskunde?«
»Was weiß ich«, entgegnete Bosch. »Walling meint, er könnte den Namen auch aus einem Kinderbuch haben. Aber egal. Auf jeden Fall Anlass genug, uns die Geburtsurkunden vorzunehmen und nachzuprüfen, ob es tatsächlich einen Raynard Waits gibt. Als er 1993 wegen Voyeurismus festgenommen wurde, führten sie ihn in seiner Akte zunächst unter Robert Saxon, dem Namen, den er angegeben hatte. Aber als sie dann in der Datenbank der Führerscheinstelle auf seinen Daumenabdruck stießen, hatten die ihn als Raynard Waits gespeichert.«
»Worauf willst du hinaus, Harry? Wenn sie damals seinen Daumenabdruck im Computer hatten, sehe ich eigentlich keinen rechten Grund, wieso der Name falsch sein sollte.«
»Das mag durchaus sein. Aber du weißt auch, dass es in Kalifornien nicht sonderlich schwierig ist, sich einen Führerschein auf einen falschen Namen ausstellen zu lassen. Was, wenn Saxon sein richtiger Name ist und der Computer den falschen ausgespuckt hat, und er das Spiel einfach mitgespielt hat? Wäre nicht das erste Mal, dass so etwas vorkommt.«
»Und warum sollte er den falschen Namen hinterher beibehalten? Er war als Waits vorbestraft. Warum hat er sich danach nicht wieder Saxon genannt, oder wie er sonst mit richtigem Namen hieß?«
»Lauter berechtigte Fragen. Ich weiß es nicht. Aber wir müssen es nachprüfen.«
»Jedenfalls haben wir den Kerl, egal, wie er heißt. Ich werde gleich mal Reynard googeln.«
Er konnte ihre Finger auf der Tastatur hören, während er wartete.
»Da haben wir es schon«, sagte sie wenig später. »Da sind eine ganze Menge Einträge sowohl zu Reynard wie auch Reineke Fuchs.«
»Das hat Walling auch gesagt.«
Rider begann zu lesen, und nach einer Weile sagte sie: »Hier steht, ein wichtiges Element der Geschichten um Reineke Fuchs war, dass er ein geheimes Versteck hatte. Er lockte seine Opfer mit allen nur erdenklichen Tricks an, um sie dann in dieses Versteck zu schleppen und aufzufressen.«
Das blieb eine Weile so im Raum stehen, bis Bosch schließlich sagte: »Hast du noch Zeit für eine weitere AutoTrack-Suche? Schaust du mal, ob du etwas über Robert Saxon findest?«
»Okay.«
Sie klang nicht sonderlich überzeugt, aber Bosch ließ sich nicht beirren. Er wollte den einmal gewonnenen Schwung nicht erlahmen lassen.
»Gib mir mal sein Geburtsdatum aus dem Festnahmeprotokoll«, sagte Rider.
»Geht leider nicht. Ich habe es nicht hier.«
»Wo hast du es? Auf deinem Schreibtisch liegt es jedenfalls nicht.«
»Ich habe die Akten Agent Walling gegeben. Ich kriege sie heute Abend wieder zurück. Du musst dir das Festnahmeprotokoll aus dem Computer holen.«
Erneut trat ein längeres Schweigen ein, bevor Rider antwortete.
»Harry, das sind Ermittlungsakten. Du weißt, du hättest sie nicht weggeben dürfen. Und wir brauchen sie morgen für das Verhör.«
»Ich habe dir doch gesagt, ich kriege sie heute Abend zurück.«
»Hoffen wir mal. Aber eins muss ich dir sagen, Partner – du ziehst schon wieder deine Einzelkämpfernummer ab, und das behagt mir gar nicht.«
»Kiz, ich versuche nur, die Sache ein bisschen zu beschleunigen. Und ich will gut vorbereitet sein, wenn wir morgen diesem Kerl gegenübersitzen. Was Walling beisteuert, bietet uns sicher einen guten Ansatzpunkt.«
»Na schön. Ich vertraue dir. Und hoffentlich vertraust auch du mir eines Tages so weit, dass du mich nach meiner Meinung fragst, bevor du losziehst und irgendwelche Entscheidungen triffst, für die wir beide den Kopf hinhalten müssen.«
Bosch merkte, wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg. Er wusste, sie hatte recht. Aber da eine Entschuldigung für sein unkollegiales Verhalten die Sache kaum besser gemacht hätte, sagte er lieber gar nichts.
»Ruf mich an, falls dir Olivas den Termin für morgen durchgibt«, sagte sie.
»Mache ich.«
Nachdem er das Handy eingesteckt hatte, dachte Bosch kurz über alles nach. Als Erstes versuchte er, seine Betretenheit über Riders Ärger abzuschütteln. Er konzentrierte sich auf den Fall und auf das, was er bisher bei den Ermittlungen ausgespart hatte. Nach ein paar Minuten zog er das Handy wieder heraus, rief Olivas an und fragte ihn, ob sie schon einen Termin für das Gespräch mit Waits festgelegt hatten.
»Morgen Vormittag zehn Uhr«, sagte Olivas. »Und seien Sie bitte pünktlich.«
»Hatten Sie vor, mir irgendwann Bescheid zu sagen, Olivas, oder sollte ich
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