Echo Park
verschlagen.
»Ist das die einzige Erwähnung im Mordbuch?«, fragte er schließlich.
»Soweit ich das sehe, ja«, sagte Olivas. »Ich bin alles zweimal durchgegangen. Und beim ersten Mal habe ich es auch überlesen. Aber beim zweiten Mal hat es plötzlich Klick gemacht. ›Hey, diesen Namen kennst du doch.‹ Das ist ein falscher Name, den Waits in den frühen Neunzigerjahren verwendet hat. Müsste eigentlich in Ihren Akten stehen.«
»Ich weiß. Ich habe es gesehen.«
»Das heißt, er hat Sie angerufen, Bosch. Der Mörder hat Sie angerufen, und Sie und Ihr Partner haben es versiebt. Sieht ganz so aus, als wäre niemand der Sache weiter nachgegangen. Sie hatten den falschen Namen des Mörders und eine Telefonnummer und haben nichts unternommen. Natürlich konnten Sie nicht wissen, dass er der Mörder war. Für Sie war er nur jemand aus der Bevölkerung, der anrief, um zu melden, was er gesehen hatte. Er muss versucht haben, Sie irgendwie zu manipulieren. Wahrscheinlich wollte er etwas über den Stand der Ermittlungen herausbekommen. Nur hat sich Edgar nicht auf dieses Spiel eingelassen. Es war kurz vor Dienstschluss, und er dachte wahrscheinlich nur noch an seinen ersten Martini.«
Bosch sagte nichts, und Olivas nutzte die Gelegenheit, weiterzusticheln.
»Zu dumm, nicht? Möglicherweise hätte die ganze Geschichte bereits damals aufgeklärt werden können. Ich schätze mal, wir werden Waits morgen daraufhin ansprechen.«
Olivas und seine Kleinkrämerei interessierten Bosch nicht mehr. Seine Häme konnten die dichte dunkle Wolke, die sich auf ihn herabgesenkt hatte, nicht mehr durchdringen. Denn Bosch wusste, dass der Name Robert Saxon, wäre er im Zuge der Gesto-Ermittlungen aufgetaucht, routinemäßig in den Computer hätte eingegeben werden müssen. Er hätte in der Decknamen-Datenbank einen Treffer erzielt und sie zu Raynard Waits und seiner Festnahme wegen Voyeurismus geführt. Damit wäre er automatisch zu einem Verdächtigen geworden. Nicht nur eine potenziell infrage kommende Person wie Anthony Garland. Nein, zum dringend Tatverdächtigen. Und das wiederum hätte die Ermittlungen in eine gänzlich andere Richtung gelenkt.
Aber dazu war es nie gekommen. Allem Anschein nach hatten weder Edgar noch Bosch den Namen durch den Computer laufen lassen. Ein Versäumnis, das wahrscheinlich die beiden Frauen aus den Müllsäcken und sieben weitere, von denen ihnen Waits morgen erzählen würde, das Leben gekostet hatte.
»Olivas?«, sagte Bosch.
»Ja, was?«
»Bringen Sie das Buch morgen mit. Ich möchte mir den 51er-Eintrag ansehen.«
»Keine Sorge. Wir werden es brauchen, um das Verhör zu führen.«
Ohne ein weiteres Wort drückte Bosch auf die Aus-Taste. Er spürte, wie sich seine Atemzüge beschleunigten. Er stand kurz davor, zu hyperventilieren. Sein Rücken an der Lehne des Autositzes fühlte sich heiß an, und er begann heftig zu schwitzen. Er öffnete die Fenster und versuchte, ruhiger zu atmen. Zum Parker Center war es nicht mehr weit, aber er fuhr an den Straßenrand und hielt an.
Es war der Albtraum eines jeden Ermittlers. Der Super-GAU. Ein übersehener oder vernachlässigter Hinweis, aufgrund dessen etwas Schreckliches weiter sein Unwesen treiben konnte – etwas Bedrohliches und Böses, das durch das Dunkel pirschte und ein Leben nach dem anderen auslöschte. Es stimmte, alle Ermittler machten Fehler und mussten mit den Folgen leben. Aber Bosch spürte instinktiv, dass dieser wie ein bösartiges Geschwür war. Es würde in seinem Innern wachsen und wachsen, bis es alles überwucherte und Bosch das letzte Opfer, das letzte ausgelöschte Leben, würde.
Damit etwas Luft durch die Fenster ins Wageninnere strömen konnte, fuhr er wieder los. Er wendete mit quietschenden Reifen und fuhr nach Hause.
SIEBEN
Von der Terrasse hinter seinem Haus beobachtete Bosch, wie sich der Himmel verdunkelte. Er wohnte oben im Woodrow Wilson Drive in einem Haus, das sich an den Hügel klammerte wie eine über einem Abgrund hängende Comicfigur. Manchmal kam sich Bosch wie diese Figur vor. So auch an diesem Abend. Er trank Wodka, den er großzügig über ein paar Eiswürfel gegossen hatte. Es war das erste Mal, dass er bei etwas Hochprozentigem Zuflucht suchte, seit er voriges Jahr in den Polizeidienst zurückgekehrt war. Seine Kehle fühlte sich an, als hätte er eine Fackel verschluckt, aber das war gut so. Er versuchte, seine Gedanken wegzubrennen und seine Nervenenden zu betäuben.
Bosch betrachtete sich als
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