Echo Park
die Leiche von Marie Gesto ausfindig zu machen und zu exhumieren.
Es war ein idealer Tag für eine Exkursion. Über Nacht hatte ein kurzer Regenschauer den Himmel blank geputzt, und nur in den obersten Schichten hatten sich in seinem strahlenden Blau ein paar letzte Wolkenfetzen gehalten. Die Straßen glänzten noch vor Nässe, und infolge der Niederschläge stieg die Temperatur nicht mit zunehmender Sonneneinstrahlung an. Auch wenn ein Tag, an dem man die Leiche einer zweiundzwanzigjährigen Frau ausgrub, niemals ein schöner Tag sein konnte, stellte das herrliche Wetter einen gewissen Ausgleich für die traurige Pflicht dar, die den Männern bevorstand.
Unter Beibehaltung seiner Formation fuhr der Konvoi in nördlicher Richtung auf den Freeway 101. Downtown herrschte dichter Verkehr, der sich wegen der regennassen Straßen noch schleppender voranwälzte als üblich. Bosch bat Olivas, das Fenster einen Spalt zu öffnen, damit etwas frische Luft hereinkäme und wenigstens etwas von Waits’ Körpergeruch entweichen konnte. Es war rasch klar geworden, dass der Mörder am Morgen weder hatte duschen dürfen noch einen frischen Overall erhalten hatte.
»Nur zu, Detective«, sagte Waits zu Bosch. »Zünden Sie sich ruhig eine an.«
Weil sie direkt nebeneinandersaßen, musste sich Bosch etwas umständlich herumdrehen, um Waits anzusehen.
»Ich will das Fenster nur Ihretwegen aufmachen, Waits. Sie stinken. Ich rauche schon fünf Jahre nicht mehr.«
»Tatsächlich?«
»Wieso glauben Sie eigentlich, irgendetwas über mich zu wissen? Wir sind uns nie begegnet. Was bringt Sie auf den Gedanken, Sie würden mich kennen, Waits?«
»Sie persönlich kenne ich natürlich nicht. Aber ich kenne Ihren Schlag. Sie sind extrem suchtgefährdet, Detective. Mordfälle, Zigaretten, vielleicht sogar der Alkohol, den Sie aus allen Poren ausdünsten. Sie sind nicht so schwer zu durchschauen.«
Waits lächelte, und Bosch schaute weg. Er überlegte kurz, bevor er wieder zu sprechen begann.
»Wer sind Sie?«
»Reden Sie mit mir?«, fragte Waits.
»Ja, ich rede mit Ihnen. Ich möchte wissen, wer Sie sind.«
»Bosch«, ging Olivas vom Fahrersitz rasch dazwischen. »Wir hatten abgemacht, ihm keine Fragen zu stellen, wenn Maury Swann nicht dabei ist. Lassen Sie ihn also in Ruhe.«
»Das ist kein Verhör. Ich mache hier hinten nur Konversation.«
»Egal, wie Sie es nennen – lassen Sie das.«
Bosch konnte sehen, dass ihn Olivas im Rückspiegel ansah. Sie starrten sich unverwandt in die Augen, bis sich Olivas wieder auf den Verkehr konzentrieren musste.
Bosch beugte sich vor, sodass er sich zur Seite drehen und an Waits vorbei zu Rider hinüberschauen konnte. Sie verdrehte die Augen, was wohl bedeuten sollte: Bitte, mach jetzt keinen Ärger.
»Maury Swann«, sagte Bosch. »Super Anwalt, wirklich, keine Frage. Handelt für den Mann den Deal seines Lebens aus.«
»Bosch!«, bellte Olivas.
»Ich rede nicht mit ihm. Ich rede mit meiner Partnerin.«
Bosch ließ sich zurücksinken und beschloss, Ruhe zu geben. Neben ihm klirrten die Handschellen, als Waits eine andere Haltung einzunehmen versuchte.
»Sie hätten ja nicht auf das Angebot eingehen müssen, Detective Bosch«, sagte er ruhig.
»Das war nicht meine Entscheidung«, antwortete Bosch, ohne ihn anzusehen. »Wenn es nach mir ginge, würden wir es auch nicht tun.«
Waits nickte.
»Auge um Auge, Zahn um Zahn. Hätte ich mir eigentlich denken können. Sie sind einer von denen, die …«
»Waits«, sagte Olivas scharf. »Halten Sie einfach den Mund.«
Olivas streckte die Hand aus und machte das Radio an. Aus den Lautsprechern plärrte laute Mariachi-Musik. Er klatschte sofort auf den Knopf, um das Geräusch abzustellen.
»Wer hat die Karre hier als Letzter gefahren?«, fragte er, an niemand Speziellen gewandt.
Bosch wusste, das war nur Show. Es war Olivas peinlich, dass er nicht auf einen anderen Sender geschaltet oder den Ton leiser gedreht hatte, als er den Wagen das letzte Mal zurückgebracht hatte.
Niemand im Wagen antwortete. Sie fuhren jetzt durch Hollywood, und Olivas bediente den Blinker und ordnete sich ganz rechts ein, um die Ausfahrt zur Gower Street zu nehmen. Bosch drehte sich um und schaute aus dem Rückfenster, ob die anderen drei Fahrzeuge noch hinter ihnen waren. Die Kolonne war vollständig. Aber mittlerweile konnte Bosch einen Hubschrauber über dem Konvoi schweben sehen. Auf seinem weißen Unterbauch prangte eine große 4. Bosch drehte sich ruckartig wieder
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