Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
gebracht wurde – zurück auf die Couch: Fernseher an, dösen, wieder einschlafen, wieder aufwachen und schließlich um 4 Uhr eine Zigarette rauchen. Geht es noch grauenhafter? Ich kann mich gleich bei Familien im Brennpunkt anmelden.
Und dann treffe ich auch noch punktgenau in der Schule ein. Punktgenau heißt mit dem Klingeln, also zu spät. Meine Klasse hängt schon im Treppenhaus über dem Geländer: »Sie sind zu spät, Frau Freitag!«
»Ich weiß.«
»Sie müssen am Freitag nachsitzen, Frau Freitag!«
»Ja, muss ich ja sowieso immer, wenn ihr nachsitzt. Ich werde mich gleich eintragen.«
Und dann verbringe ich doch tatsächlich ein paar schöne produktive Stunden mit MEINER Klasse. Die sind echt immer noch süß und bauen mich auf ihre fuzzige Art wieder auf. Nach vier Stunden denke ich bereits: »Na, guck mal einer an, wie ich das draufhab. Ich bin wohl doch die geborene Lehrerin.«
Mittags in der Mensa sitze ich mit mehreren Kollegen vor Kartoffelpüree und irgend so einem undefinierbaren Fleischklops. Wir reden über die Schüler. Am Tisch sitzt Manfred – schon jahrelang an unserer Schule – leicht desillusioniert, aber immer sehr freundlich zu den Schülern. Dann sind da noch eine hochmotivierte neue Kollegin, die alles super findet, und zwei Typen von so einem Projekt, »Schulfremde«, die sich mal wieder mit unseren Schülern schmücken wollen. Mal kurz vorbeikommen, ein Kamerateam dabeihaben, alles für ein, zwei Tage auf den Kopf stellen und dann wieder gehen. Ach, ich vergaß: zwischendurch natürlich unheimlich schlau daherquatschen.
»Also, wir machen gerade in Erdkunde ein Projekt über den Libanon und die Türkei«, erzählt die neue Kollegin. Die Schulfremden sind sofort ganz Ohr. » So riecht der Libanon und so riecht die Türkei , heißt es.«
»So riecht der Libanon? Komm doch einfach mal in meinem Raum vorbei«, nuschele ich, den Mund voll mit Kartoffelpüree.
»Hohoho«, kommt es von dem einen Schulfremden. Das soll Entrüstung ausdrücken, die ich erst mal gar nicht verstehe.
Ich stopfe mir noch mehr von dem Kartoffelpüree rein, bevor ich antworte: »Wieso? Was ist daran jetzt schlimm? Wahlweise riecht es da auch wie die Türkei. Wie soll es denn da riechen?«
»Na, wahrscheinlich geht es da eher um die Gewürze, so Karamon und so«, erklärt der andere Schulfremde.
»Ach so. Hm, Gewürze.«
»Aber vielleicht riechen ja Leute aus dem Nahen Osten anders als die aus Europa«, gibt der Hohoho-Typ zu bedenken.
»Na, das klingt jetzt aber sehr nach Rassenlehre«, kontere ich. Touché. Stille. Jetzt meldet sich der andere Schulfremde wieder zu Wort. »Sind denn die Schüler hier wirklich so schlimm?«
»Wer hat denn gesagt, dass die schlimm seien?«, frage ich. Immer diese Vorurteile. Immer fragen alle, ob die schlimm sind. Die sind ganz normal. Schlimm sind Montage. Schlimm ist Unterricht nach 16.00 Uhr. Schlimm ist, wenn man nicht schlafen kann. Oder wenn man Krebs hat oder einen Tsunami vor deinem Haus oder Cellulite am Bauch oder noch schlimmer Cellulite am Hals oder wenn man seinen Hausschlüssel verliert. Aber unsere Schüler … die sind halt Schüler.
Aber ich kann das auch nicht immer jedem erklären. Deshalb esse ich schweigend meinen Teller auf und gehe dann zufrieden nach Hause. Dienstage sind auf jeden Fall überhaupt nicht so schlimm wie Montage.
Ibo vs. Frau Freitag
»Wir haben einen neuen Schüler in der Klasse«, schreit mir Yunus aus der 7b von Verena entgegen, als er in den Raum kommt.
»Frau Freitag, wir haben neuen Schüler«, brüllt Maria, die kurz hinter Yunus kommt. »Wo ist der denn, der Neue?«, frage ich. Die Schüler, die vor mir sitzen, kenne ich alle. Neue Schüler mitten im Schuljahr nerven. Die haben noch keine Bücher, geschweige denn Workbooks, und natürlich haben die auch keinen Plan, was wir bisher gemacht haben. Ich bin ein großer Befürworter des »Jeder bleibt mindestens bis zum Halbjahresende dort, wo er ist«.
Bisher ist der ominöse neue Schüler nicht aufgetaucht. Mika meldet sich: »Frau Freitag, der findet den Raum nicht. Soll ich ihn holen?«
»Nein, lass mal, der trudelt schon irgendwann ein. Ich will jetzt auch anfangen. Wie heißt er denn?«
»Ibo!«, schreit Yunus und alle kichern. »Wir haben jetzt zwei Ibos.« Der erste Ibo sitzt direkt vor meiner Nase. »Na, Ibo, wie ist er denn so, dein Namensvetter? Ist der auch so nett wie du?« Ibo ist ein Goldstück. Total klein und supersüß. Man will ihn sofort mit nach
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