Echt easy, Frau Freitag!: Das Allerneueste aus dem Schulalltag
Achte. Letztes Jahr hatte ich nur 10. Klassen und eine anstrengende Siebte. Dann wurde wegen stundenplantechnischen Schwierigkeiten die Siebte gegen die doofe Achte getauscht. Nun haben die Schüler also einen anderen Englischlehrer. Und die anstrengende Siebte ist inzwischen zur anstrengenden Achten geworden. Die Kollegen stöhnen. Immer wenn ich jemanden aus der Klasse treffe (also einen Schüler oder eine Schülerin), fragen sie: »Warum haben wir nicht mehr bei Sie?«
Ich dann: »Tja, ging nicht anders.«
»Wann haben wir wieder bei Sie Englisch? Bei den neuen Lehrer macht es kein Spaß.«
Damals dachte ich: Super, dass ich die los bin, die sind ja echt anstrengend. Gelernt haben die auch nichts, obwohl ich voll viel unterrichtet habe. Und dann bekam ich die doofe Achte. Auch die haben nichts bei mir gelernt. Ich habe sogar den Eindruck, die sind durch meinen Unterricht immer schlechter geworden. Dazu kommt noch, dass die mich nicht leiden können – und ich sie auch nicht. Ungünstig. In jeder zweiten Stunde fragt Talip: »Haben wir Sie nächstes Jahr wieder als Lehrerin?« Und es klingt nicht mal wie eine Frage, sondern wie eine ganz schreckliche Befürchtung, die man bloß nicht bestätigt haben möchte. »Haben wir Sie wieder als Lehrerin?« Und ich denke jedes Mal: Nicht, wenn ich es IRGENDWIE verhindern kann.
Heute dann: Die Stunde der Entscheidung: Fachbereichssitzung!
»Okay, gibt es wirklich keine Fragen mehr zu den mündlichen Prüfungen? Dann kommen wir zum nächsten Punkt, der Einsatzplanung fürs nächste Jahr. Ich lese die einzelnen Klassen vor, und ihr sagt, ob sich da was ändert. 8a, also die jetzige 7a, macht Frau Wolter.« Frau Wolter nickt.
»Die 8b und die 8c Frau Freitag.« Frau Freitag nickt.
»Die 8d Herr Wiesenthal.« Kein Nicken. Herr Wiesenthal ist krank.
»Kommen wir jetzt zu den 9. Klassen. Also die, die jetzt noch die Achten sind. Die 9a macht Frau Kriechbaum. Die 9b Herr Schwarz und die 9c Frau Freitag.« Frau Kriechbaum und Herr Schwarz nicken. Frau Freitag sagt: »Nein, leider kann ich die nicht machen. Ich habe keine Stunden mehr frei. Ich muss die leider abgeben.«
Der Fachbereichsleiter guckt kurz zu mir, dann auf sein Blatt und streicht meinen Namen weg. »Okay, weiter, die 9d macht Frau Wolter …«
Ich kann es gar nicht glauben. Ein kurzer Satz und mein Leben hat ganz massiv an Qualität gewonnen. Zack, ein Satz, schon bin ich die Achte wieder los. Zum Glück haben wir so einen großen Kunstbedarf, dass mich die Fachbereichsleiterin bekniet hat, im nächsten Jahr noch eine neue Klasse in Kunst zu unterrichten. Außerdem fällt noch so viel Unterricht aus in den nächsten Wochen, dass ich die Achte nur noch sechs Stunden unterrichten muss. Nur noch sechs Stunden! Das kann ich sogar schon in Minuten umrechnen. Nur noch 270 Minuten, dann sage ich: »Adios, ihr Blödis!« Nächstes Jahr dann nie wieder diese doofe Klasse. Ich bin happy. Die letzten sechs Stunden bei denen werde ich die liebste, netteste und verständnisvollste Lehrerin sein, die sie jemals gesehen haben! Auf dieses paradoxe Interventions-Projekt freue ich mich sehr. Die Schüler werden sich wundern. Ha!
Ist nicht wegen 500 Euro
»Mein HANDY! WO IST MEINE HANDY?«, schreit Chanel. Endlich ist es passiert: Endlich ist einer Schülerin ein iPhone abhandengekommen. Es hat gerade zur Pause geklingelt, und ich räume gemächlich meine Sachen zusammen. Chanel flitzt aufgescheucht durch den Klassenraum: »Mein Handy! Mein Handy!« Rosa und Dilay stehen wie angewurzelt neben mir und beobachten sie. Chanel rennt zu ihrem Platz und guckt unter ihren Tisch. Dann nimmt sie ihre Tasche und kippt ihre Schulsachen auf einem Tisch aus. Eine richtige Schultasche hat sie natürlich nicht. Alle ihre Hefter liegen jetzt halb eingerollt vor mir. Ein grauenhaftes Bild. Ein paar Stifte rollen auf den Boden. Eine Federtasche besitzt sie also auch nicht. Tzzz.
Chanel guckt verzweifelt zu mir: »Frau Freitag, machen Sie doch was!«
»Was soll ich denn machen, Chanel?«, frage ich und versuche etwas weniger gleichgültig zu gucken. »HAMID!«, schreit Chanel. »Hamid hat es bestimmt. Der hat es mir bestimmt gerade geklaut, als er rausgegangen ist.«
»Na, dann hinterher, der ist doch noch auf dem Hof«, schlage ich vor, denn ich will die drei endlich aus dem Raum befördern, damit ich auch endlich Pause habe. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass sich Hamid Chanels Handy geschnappt hat und einfach damit
Weitere Kostenlose Bücher