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Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition)

Titel: Echt? In der DDR gab's mehrere Parteien? - Ein Ossi und ein Wessi beginnen einen Dialog (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Morawek , Christian Döring
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gleiche Wege. Im Unterricht war dies nie ein Thema.
    Als ich allerdings im Westfernsehen erfuhr, dass sich die sozialistischen Brüder Äthiopien und Somalia in einem blutigen Krieg gegenüberstanden, war für mich eine Grenze erreicht. Ich versuchte in der großen Pause Mitschüler dafür zu gewinnen, den Stabülehrer zu fragen, wie so etwas sein könne. Niemand hatte den Mut zu fragen. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, also erhob ich meinen Finger.
    In der Klasse herrschte Totenstille. Alle wussten ja, was ich wissen wollte. Als meine Frage dann im Klassenraum stand, bewegte sich niemand mehr, die Luft knisterte und mein ungeliebter Lehrer schnappte nach Luft. Noch heute sehe ich ihn vor mir stehen. Seine eiskalten Blicke treffen mich nach wie vor. Aber wie würde er nun reagieren?
     
    Daniel: Wie bist du denn so mutig geworden? Du hast doch sicher schon vorher damit gerechnet, einen Anschiss zu bekommen.
     
    Christian: Tja, wie konnte das nur geschehen, dass ausgerechnet ich in dieser Sekunde so mutig war. Manchmal brauchte halt jeder so etwas wie ein Ventil. Es war ja besiegelt, dass ich nicht mehr studieren gehen durfte und da habe ich mich eben getraut. Vielleicht war ich auch nur so mutig, weil ich gar nicht so lang Zeit hatte, über Konsequenzen meines Verhaltens nachzudenken. Eigentlich hatte ich ja in der Pause zuvor meine Mitschüler zum Fragen verleiten wollen.
    Komischerweise blieb ein Donnerwetter aus. Der Lehrer war erstaunt über diese Frage und lobte mich, weil ich die internationale Lage so genau beobachtete. Verblüfft hat er mich allerdings mit seiner Antwort: „Diese Frage kann ich dir jetzt nicht beantworten. Da muss ich erst beim Rat des Kreises in Bützow nachfragen."
    Dieses Beispiel macht gut deutlich, wie unsicher die Lehrer selbst in vielen Fragen waren. Es zeigt aber auch, dass niemand vorher einschätzen konnte, wie der Staat mit einer Frage umgehen würde. Er konnte so reagieren wie mein Lehrer, er hätte aber eben auch diese Frage als gezielte politische Provokation ansehen können und den Sachverhalt der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises übergeben können. So lernten bereits wir Schüler, dass es besser ist, den Mund zu halten und dafür ein ruhiges Leben zu führen.
    Bei uns wurde zu jener Zeit sehr viel über den Unrechtsstaat BRD informiert. Ein Lieblingsbeispiel der Berichterstattung war, wie man mit Mitgliedern der DKP in der BRD umging. Herbert Mies beispielsweise wurde bei uns gefeiert wie ein Nationalheld. Ich bezweifle, dass du diesen Namen jemals gehört hast? Damals bekamen einige Mitglieder dieser von Erich Honecker unterstützten Partei Berufsverbote. Dass es Ähnliches auch in der DDR gab, wusste ich damals noch nicht.
     
    Daniel: Doch, Herbert Mies, der ehemalige DKP-Vorsitzende, sagt mir etwas. Aber nur, weil er genauso ein Mannheimer ist wie ich und auch noch bis zu seinem Tod 1997 hier in der Gegend aktiv war. Ich bin aber erst bei den Recherchen zu einem Buch über politischen Widerstand in Mannheim im Zweiten Weltkrieg auf ihn gestoßen. In meiner 80er-Jahre-West-Kindheit war es, was die Kommunisten in der BRD betraf, wie immer: Wir Kinder wurden mit der Politik nicht weiter konfrontiert.

    Christian: Tja, die DDR existiert nicht mehr und so muss ich von dir erfahren, dass es Herbert Mies nicht mehr gibt. Obwohl ich bis zu meiner achten Klasse meinen Staat nun mehrfach unangenehm kennengelernt hatte, war ich dennoch nicht völlig gegen ihn. Vor alten Genossen, die auch nach der Wende an ihre Ideen glauben, ziehe ich noch heute den Hut. Viele von denen, die ich damals kennenlernte, haben selbst in KZs gesessen und waren für eine Welt ohne Faschismus eingetreten, obwohl sie wussten, dass sie damit im Gefängnis landen würden. Ich glaube, es gibt auch heute nicht viele Menschen, die bereit sind, für ihre friedlichen Ideale ins Gefängnis zu gehen.

9. Mit Tony Marschall in Güstrow
     
    Christian: Die Versorgungslage in der DDR wurde gerade in den 80er Jahren immer katastrophaler. Wir hatten beispielsweise in unserer Kleinstadt direkt am Marktplatz einen Blumenladen. Das normale Bild, an das ich mich heute noch erinnere, waren Kränze in den beiden Schaufenstern, die eine etwas außerhalb gelegene Gärtnerei für Beerdigungen herstellte. Damit die Bürger den weiten Weg zur Gärtnerei sparten, brachten die Angestellten die zuvor bestellten Kränze in diesen Blumenladen.
    Zum Internationalen Frauentag, der bei uns Jahr für Jahr groß gefeiert wurde,

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