Echt zauberhaft
ihr noch hier?« fragte er. »Ihr könntet schon viele Kilo-
meter weit weg sein!«
»Wir möchten beobachten, was passiert«, erwiderte Zweiblum. Seine
Brillengläser glänzten.
»Ich weiß, was passiert! Die Horde wird schon nach wenigen Sekunden
nicht mehr existieren! Was könnte denn eurer Meinung nach gesche-
hen?«
»Du vergißt die unsichtbaren Vampirgeister«, sagte Zweiblum.
Rincewind starrte ihn groß an.
»Wie bitte?«
»Die geheime Armee. Es sol en ziemlich viele Geister hierher unter-
wegs sein.«
»Es gibt überhaupt keine unsichtbaren Vampirgeister, Zweiblum!«
»Ja, ihre Existenz wird dauernd geleugnet«, ließ sich Lotosblüte ver-
nehmen. »Also müssen die Gerüchte zumindest teilweise der Wahrheit
entsprechen.«
»Ich habe das alles erfunden!«
»Oh, das glaubst du viel eicht«, entgegnete Zweiblum. »Aber ich nehme an, du bist ein Werkzeug des Schicksals.«
»Jetzt hör mal, es gibt wirklich keine…«
»Der gute alte Rincewind«, meinte Zweiblum fröhlich. »Du bist immer
pessimistisch, doch am Ende wird alles gut.«
»Es gibt weder Geister noch irgendwelche magischen Armeen«, sagte
Rincewind. »Ich…«
»Wenn sieben Männer aufbrechen, um gegen eine hunderttausendmal
größere Streitmacht zu kämpfen, kann die Schlacht nur ein Ergebnis
haben.«
»Genau. Es freut mich, daß du endlich vernünftig wirst.«
»Sie gewinnen«, sagte Zweiblum. »Sie müssen den Sieg erringen. Andernfal s funktioniert die Welt nicht richtig.«
»Du scheinst gebildet zu sein«, wandte sich Rincewind an Schmetter-
ling. »Erklär ihm, warum er sich irrt. Der Grund ist ein kleines Phäno-
men aus meiner Heimat. Viel eicht hast du schon davon gehört – man
nennt es Mathematik.«
Die junge Frau lächelte.
»Du glaubst mir nicht, wie?« brachte Rincewind hervor. »Du bist genau
wie er. Für was hältst du dies? Für homöopathische Kriegführung? Je
kleiner die eigene Streitmacht, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß
sie siegt? Die Wirklichkeit sieht anders aus. Ich wünschte, du hättest
recht, aber leider ist das nicht der Fall. Es gibt kein plötzliches und völlig unerwartetes Glück. Es gibt auch keine magischen Lösungen. Die Guten
gewinnen nicht, weil sie klein und tapfer sind!« Er gestikulierte voller
Ärger.
»Du hast immer überlebt«, sagte Zweiblum. »Ein haarsträubendes
Abenteuer folgte dem anderen, und du hast immer überlebt.«
»Reiner Zufall.«
»Und du bist auch weiter am Leben geblieben.«
»Und du hast uns aus dem Kerker befreit«, warf Lotosblüte ein.
»Das waren alles nur Zufäl… Laß mich in Ruhe und verschwinde!«
Ein Schmetterling flatterte fort und entging der nach ihm schlagenden
Hand.
»Verdammte Biester«, murmelte Rincewind. »Nun, das wär’s«, fuhr er
fort. »Ich gehe jetzt. Muß mich um andere Dinge kümmern und kann
nicht zusehen. Außerdem glaube ich, daß unsympathische Personen
nach mir suchen.«
Plötzlich bemerkte er Tränen in den Augen von Lotosblüte.
»Wir… wir dachten, daß du… irgend etwas unternimmst«, sagte sie.
»Ich? Ich kann nichts unternehmen. Erst recht nicht mit Magie! Dafür
bin ich berühmt! Glaub bloß nicht, daß Große Zauberer al e Probleme
lösen, denn es gibt sie gar nicht, und deshalb lösen sie keine Probleme,
und ich muß es wissen, denn ich bin keiner!«
Rincewind trat zurück. »So was erlebe ich immer wieder! Ich kümmere
mich um meine eigenen Angelegenheiten, dann geht irgend etwas schief,
und plötzlich kommen Leute zu mir und fragen: ›Oh, Rincewind, was
willst du jetzt unternehmen?‹ Und Frau Rincewinds Sohn – fal s es über-
haupt eine Frau Rincewind gab – antwortet darauf: ›Nichts. Ihr müßt
allein zurechtkommen.‹ In diesem Fall bedeutet das: Löst eure Probleme
selbst. Es gibt keine magischen Armeen, die euch plötzlich zu Hilfe eilen,
und… Seht mich nicht so an! Es dürfte kaum meine Schuld sein! Ich muß mich um andere Dinge kümmern! Diese Sache geht mich nichts an!«
Er drehte sich um und lief davon.
Die Menge achtete kaum auf ihn.
Nach den Maßstäben von Hunghung waren die Straßen fast leer: An
manchen Stel en war das Kopfsteinpflaster zu sehen. Rincewind schob
sich in den Gassen unweit der Mauer durchs Gedränge, auf der Suche
nach einem Tor, dessen Wächter zu beschäftigt waren, Fragen zu stel en.
Schritte folgten ihm.
»Jetzt hört mal«, brummte er und drehte sich um. »Ich habe doch ge-
sagt, daß ich…«
Sein Blick fiel auf
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