Echt zauberhaft
Zervelatwurst.
»Oh.«
Cohen blickte zu dem Wald aus Fahnen und Standarten. Hunderttau-
sende von Soldaten sahen nach ziemlich vielen Soldaten aus, wenn man
ihnen so nahe war.
»Ich schätze, niemand von euch hat irgendeinen genialen Plan für den
Notfall, oder?« fragte er langsam.
»Wir dachten, du hättest einen«, entgegnete Kriecher der Unhöfliche.
Mehrere Reiter verließen die einzelnen Heere der gegnerischen Streit-
macht und näherten sich. Etwas weiter als einen Speerwurf entfernt hiel-
ten sie an und warteten.
»Na schön«, knurrte Cohen. »Ich sage es nicht gern, aber viel eicht sol -
ten wir über die Kapitulation verhandeln.«
»Nein!« entfuhr es Herrn Zervelatwurst. Er erschrak über den lauten
Klang seiner eigenen Stimme. »Nein«, wiederholte er etwas ruhiger. »Ihr
überlebt nicht, wenn ihr kapituliert. Ihr sterbt nur nicht sofort.«
Cohen kratzte sich an der Nase. »Wie sieht die Fahne aus? Du weißt
schon… um den Leuten zu zeigen, daß wir mit ihnen reden wol en, ohne
sie zu töten.«
»Sie muß rot sein«, antwortete Herr Zervelatwurst. »Aber es hat keinen
Sinn, wenn du…«
»Rot zur Kapitulation, Weiß für Bestattungen… komisch.« Cohen
schüttelte den Kopf. »Na schön. Hat jemand etwas Rotes?«
»Ich habe ein Taschentuch«, sagte Herr Zervelatwurst. »Aber es ist
weiß und…«
»Gib es mir.«
Der barbarische Lehrer holte es zögernd hervor und reichte es dem
barbarischen Helden.
Cohen zog ein kleines, ziemlich abgenutztes Messer hinter dem Gürtel
hervor.
»Ich fasse es nicht!« Herr Zervelatwurst war den Tränen nahe. »Cohen
der Barbar ist bereit, über die Kapitulation zu verhandeln!«
»Wahrscheinlich liegt’s an der Zivilisation«, meinte Cohen. »Sie hat
mich weich gemacht.«
Er zog sich das Messer über den Arm und drückte dann das Taschen-
tuch auf die Wunde.
»Na bitte. Gleich haben wir eine hübsche rote Fahne.«
Die Horde nickte anerkennend. Es war eine bemerkenswert symboli-
sche, dramatische und vor allem sehr dumme Geste, in der besten Tradi-
tion des barbarischen Heldentums. Einige der ganz vorn stehenden Sol-
daten beobachteten sie.
»Lehrer und Kriecher…«, sagte Cohen. »Kommt mit mir. Wir reden
jetzt mit den Leuten.«
»Bestimmt wirft man dich ins Verlies«, stöhnte Herr Zervelatwurst.
»Hier gibt es Folterer, die ihre Opfer jahrelang am Leben erhalten können!«
»Wasisn? Was sachta da?«
»Er meint, IN DEN HIESIGEN VERLIESEN KANN MAN
JAHRELANG ÜBERLEBEN, Polterer.«
»Gut! Einverstanden!«
»Lieber Himmel«, ächzte Herr Zervelatwurst.
Er folgte Kriecher und Cohen zu den Kriegsherrn.
Lord Hong hob das Helmvisier und starrte die Delegation der barbari-
schen Eroberer an.
»Ich hab hier ‘ne rote Fahne.« Cohen winkte mit dem feuchten Etwas
am Ende seines Schwerts.
»Ja«, sagte Lord Hong. »Wir haben deine kleine Vorstel ung gesehen.
Gewöhnliche Soldaten lassen sich vielleicht davon beeindrucken, aber
wir nicht, Barbar.«
»Wie du meinst«, erwiderte Cohen. »Wir sind gekommen, um über die
Kapitulation zu reden.«
Herr Zervelatwurst stellte fest, daß sich einige der Kriegsherrn ent-
spannten. Echten Soldaten gefäl t so etwas nicht, dachte er. Niemand
möchte im Soldatenhimmel sagen: Einmal bin ich mit einem Heer gegen
sieben Greise in den Kampf gezogen. Dafür erhofft man sich keine Me-
daillen.
»Oh, natürlich«, entgegnete Lord Hong. »Soviel zur Tapferkeit. Nun,
legt die Waffen nieder. Anschließend bringen wir euch zum Palast.«
Cohen und Kriecher wechselten einen Blick.
»Wie bitte?« fragte Cohen.
»Legt die Waffen nieder«, schnaubte Lord Hong. »Damit meine ich:
Weg mit den Schwertern und Äxten!«
Cohen runzelte verwirrt die Stirn. »Warum sol ten wir unsere Waffen
weglegen?«
»Wir sprechen doch über eure Kapitulation, oder?«
»Über unsere Kapitulation?«
Ein irres Lächeln erschien auf Herrn Zervelatwursts Lippen und wuchs
immer mehr in die Breite.
Lord Hong starrte Cohen an.
»Ha! Soll ich etwa glauben, daß ihr gekommen seid, um uns aufzufordern…«
Er beugte sich im Sattel vor.
»Das ist tatsächlich der Fal , wie?« fügte er hinzu. »Ihr hirnlosen kleinen Barbaren. Stimmt es, daß ihr nur bis fünf zählen könnt?«
»Wir wol ten nur vermeiden, daß jemand verletzt wird«, sagte Cohen.
»Ihr wol tet vor al em vermeiden, selbst verletzt zu werden«, hielt ihm
Lord Hong entgegen.
»Wenn es zum Kampf kommt, bleibt das auch für einige von euch
nicht
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