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Echt zauberhaft

Echt zauberhaft

Titel: Echt zauberhaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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verschwanden hinter dem Rand der
    Rinne. Trockene Erde und kleine Steine glitten an Rincewind vorbei,
    kratzten über seine Stiefel und verschwanden in der Dunkelheit.
    Als Experte für solche Dinge wußte Rincewind, daß er über einer gro-
    ßen Tiefe hing, die gleichzeitig eine große Höhe sein konnte – je nach
    Perspektive.
    Der Balken setzte sich wieder in Bewegung.
    Damit blieben dem Zauberer nur zwei Möglichkeiten. Erstens konnte
    er loslassen und einem unbekannten Schicksal in der Finsternis entge-
    genstürzen. Zweitens konnte er warten, bis der Balken ganz nachgab und
    dann zusammen mit ihm einem unbekannten Schicksal in der Finsternis
    entgegenstürzen.
    Zu Rincewinds großer Freude ergab sich kurz darauf noch eine dritte
    Möglichkeit. Seine Stiefelspitze berührte etwas, einen Stein oder Felsvor-
    sprung oder was auch immer. Wichtig war nur: Er konnte sich darauf
    abstützen und dadurch ein prekäres Gleichgewicht finden, das ihn einer-
    seits vor dem Sturz in die Tiefe bewahrte, ohne ihm andererseits dauer-
    hafte Sicherheit in Aussicht zu stellen. Natürlich war es nur etwas Vorü-
    bergehendes, aber Rincewind hatte längst herausgefunden, daß das Le-
    ben eine Kette aus vorübergehenden Dingen war.
    Ein gelber Schmetterling mit interessanten Flügelmustern flatterte
    durch die Rinne und landete auf dem einzigen zur Verfügung stehenden
    farbigen Etwas: auf dem Hut des Zauberers.
    Das Holz gab noch etwas mehr nach.
    »Verschwinde!« sagte Rincewind und versuchte, keine zu schweren
    Worte zu verwenden. »Hau ab!«
    Der Schmetterling breitete die Flügel aus und sonnte sich.
    Rincewind schürzte die Lippen und versuchte, das kleine Wesen fort-
    zupusten.
    Es erschrak, stieg auf…
    »Ha!« machte der Zauberer.
    … und reagierte instinktiv auf die Gefahr, indem es mit den Flügeln
    schlug.
    Die nahen Sträucher erzitterten. Die Wolken am Himmel veränderten
    sich und bildeten ungewöhnliche Strukturen.
    Eine weitere Wolke entstand, groß wie ein zorniger grauer Bal on. Es
    begann zu regnen, nicht im al gemeinen, sondern im besonderen. Es
    regnete nur dort, wo sich Rincewind befand. Nässe strömte auf seinen
    Hut.
    Ein kleiner Blitz traf ihn in die Nase.
    »Was haben wir denn hier?« Drei Rosarote Schweine erschien wieder
    am Rand der Rinne und zögerte kurz, bevor er nachdenklich fortfuhr:
    »Ein Kopf in einem Loch, und darüber ein kleines Gewitter.«
    Kurz darauf erkannte er: Ob Gewitter oder nicht – hier gab es eine gu-
    te Möglichkeit, wichtige Körperteile abzuschneiden. Es bot sich zwar nur
    ein Kopf an, aber daran gab es nichts auszusetzen.
    Der Zaubererhut hatte inzwischen genug Regen aufgesaugt. Das uralte
    Holz hielt der Belastung nicht länger stand, und Rincewind fiel einem
    unbekannten Schicksal in der Finsternis entgegen.

    Es war völlig dunkel.
    Rincewind erinnerte sich an Tunnel und rutschenden Boden. Jeder Teil
    von ihm, der nicht vor Angst bebte, nahm an, daß die Höhle eingestürzt
    war. Höhle. Dieses Wort hatte besondere Bedeutung. Er befand sich in
    einer Höhle. Er fürchtete sich davor, etwas zu berühren, als er ganz vor-
    sichtig den Arm ausstreckte, um etwas zu berühren.
    Er fühlte eine gerade Kante, die zu drei anderen geraden Kanten führ-
    te, die sich jeweils im rechten Winkel trafen. Eine Platte.
    Die Finsternis war ein erstickender Schleier aus schwarzem Samt.
    Eine Steinplatte… Daraus ließ sich der Schluß ziehen, daß es woanders
    einen Eingang gab, einen richtigen Eingang. Rincewind vermutete, daß bereits Wächter herbeiliefen, um ihn zu schnappen.
    Und vielleicht wurden sie von Truhe verfolgt. Eines stand fest: In letz-
    ter Zeit verhielt sie sich recht seltsam. Mit ziemlicher Sicherheit war er
    ohne sie besser dran.
    Er klopfte auf seine Taschen und wiederholte jenes Mantra, das auch
    Nichtzauberer sprechen, um Streichhölzer zu finden. Es lautet: »Streich-
    hölzer, Streichhölzer, Streichhölzer…«
    Er fand welche und entzündete eins mit dem Fingernagel.
    »Au!«
    Die rauchende gelbe Flamme erhel te nur Rincewinds Hand und einen
    Teil seines Ärmels.
    Er ging einige Schritte weit, bevor er sich die Finger verbrannte. Die
    Dunkelheit kehrte zurück, und das einzige Licht gab es nur noch in Rin-
    cewinds Erinnerung.
    Nirgends erklang das Geräusch rachsüchtiger Füße. Alles blieb still.
    Rein theoretisch sol te irgendwo Wasser tropfen, doch die Luft fühlte
    sich trocken an.
    Er entzündete ein zweites Streichholz, hielt es so hoch wie

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