Echte Biester: Roman (German Edition)
tot.«
»Lass gut sein, Pop«, bat Wahoo.
»Aber das ist Betrug! Die führen doch alle an der Nase rum!«
»Touristen haben doch sowieso keine Ahnung«, erwiderte Wahoo.
Die Schultern seines Vaters versteiften sich. »Ich rede auch nicht von Touristen, Junge, ich rede von der Natur – es ist eine Beleidigung der Natur, mitten im Sumpf ein ausgestopftes Tier aufzustellen.«
»Da hat er nicht ganz unrecht«, flüsterte Tuna.
»Nun ermutige ihn nicht auch noch«, stöhnte Wahoo.
»Setzen Sie sich wieder hin, Mister«, schnauzte Link vom Heck des Sumpfboots.
»Ja, Mr. Cray, bitte «, sagte Derek. »Wen kümmert’s denn, dass der Alligator unecht ist?«
»Aber das isser nich’!«, rief Link halb verwirrt, halb empört.
Wahoo schoss der Gedanke durch den Kopf, ob der Mann vielleicht wirklich glaubte, dass Old Sleepy lebendig sei und Woche um Woche, Monat um Monat an ein und derselben Stelle ein Nickerchen machte, ohne sich jemals zu rühren.
Mickey spähte zu dem Alligator hinüber und rieb sich die Stirn. »Haben Sie denn gar keinen Stolz, Mann?«, sagte er zu Link. »Sagen Sie Sickler, er soll das blöde Ding in seinem Souvenirladen aufstellen. Da gehört’s nämlich hin.«
Link starrte Mickey hasserfüllt an. Derek drehte sich um und flüsterte Raven etwas zu, das Wahoo nicht verstehen konnte.
»Raus aus meinem Boot!«, schrie Link.
Mickey sah Wahoo an und zuckte die Achseln. »Der tickt doch nicht richtig.«
»Setz dich, Pop.«
»Keine schlechte Idee«, meinte Tuna.
»Wir verschwenden kostbare Zeit«, murrte Derek. »Lasst uns endlich weiterfahren.«
Wahoos Vater zeigte auf Old Sleepy. »Wollen Sie uns nicht Ihre Kampftechnik vorführen, Mr. Beaver? Mit dem Alligator da würden wahrscheinlich selbst Sie fertigwerden«, spottete er.
»Sehr komisch«, stieß Derek zwischen den Zähnen hervor.
Link war ebenfalls stocksauer. Er stapfte zum Bug des Sumpfboots, packte Mickey Cray beim Hosenboden und schmiss ihn wie einen Sack Zement ins Wasser.
Der Regisseur presste sich die Hand gegen den Mund, um sich das Lachen zu verbeißen. Wahoos Vater, der hervorragend schwimmen konnte, planschte auf dem Rücken liegend wie ein Otter im Wasser herum.
»Himmlisch«, sagte er.
Derek drehte sich zu Raven und schnippte mit den Fingern. Sie wies Link an weiterzufahren.
Link grinste breit. Er hatte nur noch wenige Zähne im Mund. »Wir sind schon weg.«
»Aber was wird denn aus Mr. Cray?«, rief Tuna.
In Anbetracht von Links Reizbarkeit kam Wahoo zu dem Schluss, dass sein Vater im Wasser wahrscheinlich sicherer war als auf dem Boot.
»Mach dir keine Sorgen um Pop«, sagte er und setzte sich seine Ohrenschützer wieder auf. »Der kommt schon klar.«
Die Filmleute hatten ihr Hauptquartier in Sicklers Dschungelstützpunkt und Saftbar aufgeschlagen, weil Raven Starks Bitte, im Everglades National Park drehen zu dürfen, abgelehnt worden war. Die Sekretärin des Parkleiters hatte Raven mitgeteilt, dass Derek Badger wegen des Nestraubs im Yellowstone Park in sämtlichen Parks der Staaten Hausverbot habe.
»Für wie lange?«, hatte sich Raven erkundigt.
»Für immer und ewig«, hatte die Sekretärin ihr höflich geantwortet.
Wie sich herausstellte, konnte man von Sicklers Anlegestelle aus mit dem Sumpfboot bequem geeignete Drehorte erreichen. Für das erste Camp wählte der Regisseur eine Bauminsel aus, die weitab vom Highway lag. Die Insel war von einem Wassergraben umgeben, der so seicht war, dass man hindurchwaten konnte, doch am Ufer stieß das Team auf dichtes, dorniges Gebüsch, durch das man sich erst mühselig einen Pfad hacken musste, um unter das schattige Blätterdach der Insel zu gelangen.
Sicklers Bootsfahrer verbrachten den Rest des Nachmittags damit, zwischen Anlegestelle und Insel hin- und herzupendeln, um die Zelte, den Proviant und das Equipment des Filmteams zum Lagerplatz zu bringen. Wahoo und Tuna setzten sich auf der Veranda des Souvenirladens in den Schatten, um auf Mickeys Rückkehr zu warten. Sie unterhielten sich über dies und das, vermieden dabei aber das Thema Väter .
Tuna fing einen leuchtend grünen Rotkehlanolis und brachte Wahoo die wissenschaftliche Bezeichnung der Eidechse bei, Anolis carolinensis , ein ziemlicher Zungenbrecher.
Dann fragte sie ganz unvermittelt: »Hast du eine Freundin, Lance?«
»Hör auf, mich so zu nennen.«
»Heißt das ja ?«
»Nein, Lucille, ich habe keine Freundin.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich dafür keine Zeit habe.«
»Ach komm. Für
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