Echte Morde
Angebot angenommen?", wollte ich wissen, als wir einträchtig nebeneinander über den Campus schlenderten, auf dem Weg zu einem Bistro gleich um die Ecke, das Salate und Sandwiches anbot.
„Ich brauchte mal etwas Abwechslung", entgegnete Robin.
„Ich hatte es satt, den ganzen Tag im Zimmer eingesperrt zu sein und zu schreiben. Ich hatte kurz hintereinander drei Bücher geschrieben, mit kaum einer Pause dazwischen, für das nächste hatte ich noch keine zündende Idee, und unterrichten hörte sich einfach interessant an. James empfahl als Wohnort Lawrenceton, weil mich die Miete dort nicht umbringen würde, wie er es formulierte, und nachdem ich ein paar Wochen in einem der Gästezimmer des Stundentenwohnheims gelebt hatte, war ich froh, das Reihenhaus neben Ihnen zu finden."
„Haben Sie denn vor, eine gewisse Zeit hierzubleiben?", erkundigte ich mich vorsichtig.
„Das hängt vom Erfolg der Kurse und des Seminars ab", sagte er, „und natürlich von James' Gesundheitszustand. Aber vielleicht bleibe ich auch so in der Gegend, selbst wenn ich nicht mehr unterrichte. Es gefällt mir hier bisher ebenso gut wie dort, wo ich vorher lebte. Mich bindet nichts an einen Wohnort.
Meine Eltern zogen nach ihrer Pensionierung nach Florida, also gibt es auch keinen Grund, in meine alte Heimatstadt zurückzukehren. St. Louis", fügte er als Antwort auf meine unausgesprochene Frage hinzu.
Inzwischen waren wir beim Bistro angekommen, und Robin hielt mir die Tür auf. Es hatte eine dieser leicht plüschigen Einrichtungen mit vielen Grünpflanzen, wo Kellnerinnen und Kellner einheitliche lange Schürzen und Jeans trugen. Unser Kellner hieß Don und war dem eigenen Bekunden nach glücklich, uns bedienen zu dürfen. Der örtliche Kuschelrock-Sender beschallte uns Altrocker im Alter zwischen 21 und 42 Jahren mit entsprechender Musik, und während ich die Speisekarte studierte, fing ich an, Robin zu begehren, wie Amina mir geraten hatte.
Anscheinend hatte ich aber die ausgestrahlten Wellen falsch eingeschätzt, denn als Don neben mich trat, um meine Bestellung aufzunehmen, wurde er ziemlich rot und versuchte immer wieder, mir in den Ausschnitt zu linsen. Aber unter dem Strich schien die Botschaft auch bei Robin anzukommen. Zögernd - immerhin war es hellichter Tag, wir saßen an einem öffentlichen Ort, und er musste noch ein Seminar abhalten - griff er über den Tisch hinweg nach meiner Hand.
Ich wusste einfach nie, wie ich auf so etwas reagieren sollte!
Meine Gedanken fingen an zu rasen: Der Mann hatte meine Hand genommen - hieß das, er wollte mit mir ins Bett? Hieß es, er wollte weiter mit mir ausgehen? Oder was? Ich wusste auch nie, wo ich hinsehen sollte: meinem Gegenüber in die Augen?
Zu indiskret. Auf die Hand? Irgendwie kindisch. Was war mit meiner Hand? Sollte ich sie bewegen und seine drücken? Grässlich! Nein, ich war einfach noch nie gut im Händchenhalten gewesen.
Unsere Salate kamen, also entflochten wir unsere Hände und griffen mit einiger Erleichterung nach unseren Gabeln. Gerade fragte ich mich, ob ich das mit dem Begehren auch während des Essens durchhalten sollte, als im Hintergrund ein alter James-Taylor-Song ausklang und Nachrichten kamen. Der Name meiner Stadt ließ mich aufhorchen: „Morrison Pettigrue, einer der Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters von Lawrenceton, wurde heute Morgen ermordet aufgefunden", sagte eine unbeteiligte Frauenstimme. „Der fünfunddreißigjährige Pettigrue kandidierte für die kommunistische Partei. Sein Wahlkampfleiter, Benjamin Greer, fand Pettigrue tot in der Badewanne seines Hauses in Lawrenceton. Pettigrues Körper wies zahlreiche Stichwunden auf. Im Badewasser schwammen Papiere, aber noch hat die Polizei keine Auskunft darüber erteilt, ob sich darunter auch ein Abschiedsbrief befand, also Selbstmord vorliegen könnte.
Bisher haben die ermittelnden Behörden in diesem Fall keine Verdächtigen. Spekulationen über die Frage, es könne sich, wie Greer behauptet, um ein politisches Attentat handeln, lehnt die Polizei ab."
Unsere Gabeln schwebten in der Luft, und von Begierde konnte nun absolut keine Rede mehr sein, als Robin und ich einander entgeistert anstarrten.
„In der Badewanne", sagte Robin.
„Mit einem Messer, und die Sache mit den Papieren spricht ja wohl Bände."
„Marat!", sagten wir wie aus einem Munde.
„Der arme Benjamin", fuhr ich allein fort. Er hatte uns verlassen, war zu neuen Ufern aufgebrochen, nur um sich dabei einen heftigen
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