Echte Morde
ebenfalls Bücher ein, befand sich aber eigentlich nicht in Hörweite.
„Erzähl: Wie passen die beiden Fälle zusammen, Jane?", drängte ich.
Jane schlug das Notizbuch auf, ohne das sie wohl nie aus dem Haus ging. „Cordelia Botkin lebte in San Francisco und war die Geliebte John Dunnings, der dort das Büro von Associated Press leitete. Dunnings Frau war in ..." Jane blätterte in ihren Aufzeichnungen, „... in Dover, Delaware, zurückgeblieben. Botkin schickte der Frau mehrere anonyme Briefe. Hat deine Mutter auch welche bekommen?"
Ja, hatte sie, ohne es für nötig zu befinden, mich davon zu informieren. Von der Existenz dieses Briefes, in Mutters Fall hatte es sich nur um einen gehandelt, wusste ich erst durch die Aussage, die sie Lynn Liggett gegenüber zu Protokoll gegeben hatte.
Mit missbilligend verkniffenem Mund, sollte ich vielleicht noch dazu sagen. Mutter hatte also ein paar Tage vor dem Eintreffen der Pralinen mit der Post einen ihr völlig unverständlichen und im Großen und Ganzen schlicht widerlichen anonymen Brief bekommen, den Vorfall aber als so hässlich und unbedeutend abgetan, dass sie mich damit nicht hatte beunruhigen wollen.
Der Brief war umgehend im Abfall gelandet, sie konnte sich aber noch daran erinnern, dass er auf einer Schreibmaschine getippt gewesen war.
Auf derselben Schreibmaschine wie der Adressaufkleber des Päckchens - da wäre ich jede Wette eingegangen.
„Wie dem auch sei ...", fuhr Jane fort, nachdem sie erneut ihre Notizen konsultiert hatte, „... Cordelia meinte wohl, dass Dunning irgendwann zu seiner Frau zurückkehren würde, also vergiftete sie ein paar Bonbons und schickte sie nach Delaware.
Die Ehefrau starb, desgleichen eine Freundin, die gerade bei ihr zu Besuch war."
„Sie starben", wiederholte ich langsam.
Jane nickte, wobei sie taktvollerweise nicht von ihren Notizen aufsah. „Dein Vater arbeitet noch bei der Zeitung, oder?"
„Ja. Zwar nicht als Reporter, aber er leitet die Anzeigenabteilung."
„Er lebt mit seiner neuen Ehefrau zusammen - mit einer .anderen Frau', wenn man das so sehen will."
„Wenn man es so sehen will, ja."
„Unser Mörder hat anscheinend die groben Übereinstimmungen erkannt und die Gelegenheit beim Schopf ergriffen."
„Warst du mit der Geschichte schon bei Arthur?"
„Ja. Ich fand, er sollte sie kennen." Jane hob den Kopf.
„Was sagte er?", fragte ich.
„Er wollte wissen, aus welchem Buch meine Informationen stammen, schrieb sich den Titel auf, bedankte sich bei mir, sah ziemlich gehetzt aus und verabschiedete sich. Ich habe das Gefühl, es fällt ihm nicht ganz leicht, seine Vorgesetzten von der Bedeutung und den Untertönen dieser Mordfälle zu überzeugen.
Was war denn nun in den Pralinen? Weiß man das schon?"
„Nein. Die Polizei hat die Schachtel mit ins Labor genommen und lässt die Pralinen untersuchen. Arthur hat schon gesagt, dass die Tests ein paar Tage in Anspruch nehmen könnten."
Lillian war langsam näher gerückt und sah neugierig aus, was bei Lillian allerdings ein Dauerzustand ist. Aber auch andere Kollegen betrachteten mich neuerdings mit mehr als nur normalem Interesse. Da findet eine ruhige, gesetzte Bibliothekarin am Freitag beim monatlichen Treffen eines obskuren Vereins, dem sie angehört, eine Leiche, erhält am Samstag eine Schachtel verdächtiger Pralinen, taucht am Montag fein herausgeputzt in einem neuen und ungewohnten Outfit auf und führt am Dienstag im Flüsterton Gespräche mit einer sichtlich erregten Frau.
Kein Wunder, dass gegafft wurde.
„Ich mach mich mal lieber auf den Weg, ich halte dich nur von der Arbeit ab", flüsterte Jane, die Lillian ziemlich gut kannte. „Aber ich war ganz aus dem Häuschen, als ich den Mord gefunden hatte, der in euer Schema passt, ich musste einfach kommen und es dir gleich erzählen. Der Mord an diesem Kommunisten ist natürlich der Ermordung Marats nachempfunden.
Der arme Benjamin Greer. In den Nachrichten haben sie gesagt, er hätte die Leiche gefunden."
„Jane, ich weiß es zu schätzen, dass du diese Recherchen für mich angestellt hast", tuschelte ich zurück. „Als Dankeschön lade ich dich nächste Woche mal zum Mittagessen ein." Über Morrison Pettigrues Leiche mochte ich jetzt nicht reden.
„Ein Mittagessen ist wirklich nicht nötig. Ich habe dir zu danken, du hast mir etwas zu tun gegeben. Die Vertretungsarbeit in der Schule und hier ist ja ganz spannend, aber schon lange hat mir nichts mehr so viel Spaß gemacht, wie
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