Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Echte Morde

Echte Morde

Titel: Echte Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
zwei Mordfällen sprach, nahm mich so in Anspruch, dass ich beim Weiterschieben meines Bücherkarrens in Sally Allison hineinfuhr. Wortwörtlich. Sie sah sich gerade ein paar Bücher über Handarbeit an, mit denen unsere Bibliothek reichlich bestückt war. Handarbeiten waren ein sehr beliebtes Hobby in Lawrenceton.
    Ich murmelte eine hastige Entschuldigung, Sally murmelte zurück, es sei ja nichts passiert, blieb aber wie am Boden festgewachsen stehen, den Blick allzu konzentriert auf die Buchrücken vor ihrer Nase gerichtet. In den vergangenen Monaten hatte sich Sally zu einer sehr regelmäßigen Besucherin unserer Leihbücherei gemausert. Sie tauchte sogar zu Zeiten auf, in denen sie eigentlich hätte arbeiten müssen. Obwohl sie immer Bücher auslieh, glaubte ich persönlich nicht, dass die Sehnsucht nach Lektüre sie zu uns führte. Ich war fest davon überzeugt, dass Sally kam, um ein Auge auf Perry zu halten. Nach allem, was Amina mir verraten hatte, wunderte mich das nicht mehr. Mir war aufgefallen, dass Sally manchmal noch nicht einmal direkt mit ihrem Sohn sprach, sondern ihn aus einiger Entfernung beobachtete, als sei sie auf der Suche nach unguten Vorzeichen.
    „Wie geht es deiner Mutter, Roe?", erkundigte Sally sich höflich.
    „Sehr gut, danke."
    „Habt ihr euch von dem Schreck mit den Pralinen erholen können? Ich bin gestern Abend gar nicht mehr dazu gekommen, dich das zu fragen."
    Gleich nachdem sie nach dem Zwischenfall mit den Pralinen den entsprechenden Bericht der Polizeipressestelle zu Gesicht bekommen hatte, hatte Sally sowohl bei mir als auch bei meiner Mutter angerufen, um uns zu interviewen. Mutter und ich hatten übereinstimmend reagiert, wie wir später feststellten, fast so, als hätten wir uns vorher abgesprochen: Wir waren so kurz angebunden gewesen, wie es sich gerade noch so mit den Regeln der Höflichkeit vereinbaren ließ. Ich fand, mein Name hätte in letzter Zeit oft genug in der Zeitung gestanden, Mutter fand den Vorfall mit den Pralinen zu ekelhaft, um ihn mit irgendwem zu erörtern. Außerdem fand sie, ein möglicher Giftanschlag sei schlecht für sie und ruiniere das Bild der erfolgreichen Geschäftsfrau.
    „Sally, ich hatte keine Angst, als es passierte, und zwar aus einem simplen Grund: Ich wusste weder an dem entsprechenden Tag noch weiß ich heute, ob wirklich jemand versucht hat, meiner Mutter und mir ernsthaften Schaden zuzufügen. Ich muss dir jetzt mal ganz offen etwas sagen: Du bist meine Freundin und Reporterin. In letzter Zeit weiß ich manchmal nicht mehr, mit wem von beiden ich mich gerade unterhalte."

    Endlich wandte Sally den Blick von den Buchrücken, drehte sich um und sah mich an, nicht erzürnt, aber doch entschlossen. „Ich arbeite bei einer kleinen Zeitung, aber das heißt noch lange nicht, dass ich keine richtige Reporterin bin. Du bist eine Teagarden, alles, was dir zustößt, ist gleich zwei Artikel wert. Deine Mutter ist eine bekannte Frau, die in unserer Stadt eine bedeutende Rolle spielt, und dein Vater ist auch kein Niemand. Lange wird sich der Besitzer unserer Zeitung den Maulkorb nicht gefallen lassen, den die Polizei uns in Bezug auf bestimmte Details verordnet hat. Ist deine Frage damit beantwortet? Lillian kommt. Hast du dieses Buch über Bragello schon gelesen?"
    Ich musste leicht blinzeln, ehe mir das Umschalten gelang. „Sally, ich kann doch noch nicht einmal einen Knopf annähen! Wenn du Handarbeitsfragen zu klären hast, wende dich an meine Mutter. Oder an Lillian." Ich strahlte meine Kollegin an, die gerade am anderen Ende des Regals ihren Bücherwagen vorbeischob.
    Lillians Ohren sind mindestens so fein wie die einer Fledermaus. Natürlich hatte sie ihren Namen gehört, und ehe ich dreimal Luft holen konnte, steckten Sally und sie schon tief in einer Unterhaltung über französischen Knötchenstich und die Eigenproduktion von Weihnachtskerzen. Mich hatte die Unterhaltung mit Sally traurig gestimmt. Seufzend wandte ich mich meiner Arbeit zu. Vielleicht mochte Sally ja wieder ausschließlich meine Freundin sein, wenn ich nicht mehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand und somit keine Nachricht mehr wert war.
    Inzwischen war es sechzehn Uhr. Um achtzehn Uhr durfte ich Feierabend machen — langsam wurde es Zeit, sich über die Kleiderfrage für das Abendessen mit Robin Crusoe im Kutschenhaus Gedanken zu machen. Robin wollte mich um neunzehn Uhr abholen, mir blieb also eine knappe Stunde, um nach Hause zu fahren, mich

Weitere Kostenlose Bücher