Echte Vampire haben Kurven
nicht verdient, und ich ebenso wenig. Verdammter Verräter. Wenigstens wusste ich nun, dass sich keine weiteren Wanzen im Laden befanden; das hatte mir Jerrys Sicherheitsexperte bestätigt.
»Siehst du, Glory erwartet uns bereits.« Lacys Lächeln wirkte starr, wie das einer Totenmaske, doch Ryan bemerkte es nicht. Er sah sich im Laden um und schien sich in meiner Gegenwart unbehaglich zu fühlen. Insgeheim hatte ich ja gehofft, ich würde mich irren, und sei es nur wegen Lacy. Andererseits hatte sie mehrere Jahrhunderte Erfahrung in der Liebe und wurde bestimmt nicht zum ersten Mal hintergangen.
Aber es würde wohl das letzte Mal sein. Unsere Blicke kreuzten sich.
»Hallo, ihr beiden. Kommt mit, die Schecks liegen hinten im Lager.« Dort konnte man uns von der Straße aus nicht sehen. Ich hatte Stühle bereitgestellt, und Valdez lümmelte
vor dem Hinterausgang. Ich streckte unauffällig die Daumen hoch, als ich die beiden an ihm vorbeiführte.
»Ich dachte, du zahlst immer am Ersten. Ich hatte nicht vor Mittwoch damit gerechnet.« Ryan lächelte. »Aber die Kohle kommt mir sehr gelegen.«
»Ach, tatsächlich?« Lacy knallte erbost die Tür zu und schloss sie ab. »Ich hatte nicht den Eindruck, dass du an Geldmangel leidest.«
»He, was soll das werden?« Ryan wich zurück, bis er an einen Stuhl stieß. Er klammerte sich an die Rückenlehne.
Kein Wunder – Lacy bot einen schaurigen Anblick, selbst in Menschengestalt. Ihre Augen glühten, ihre Nägel wuchsen, und es hätte mich nicht überrascht, wenn sie gleich die Nackenhaare gesträubt hätte.
»Glory und ich haben ein kleines Problem, Ryan. Dich.« Lacy stieß ihn auf den Stuhl. Er sprang wieder auf.
»Hey, pass gefälligst auf. Das ist ein neuer Anzug.« Er strich sich über die Aufschläge seines schwarzen Sakkos. Schnösel. »Neu für mich jedenfalls. Original Brooks Brothers. Hab ich aus dem Laden der Heilsarmee, für neun Dollar neunundneunzig. Ist das zu fassen?«
»Halt die Klappe, Ryan.« Ich packte ihn an den Schultern und drückte ihn auf den Stuhl. Er zog den Kopf ein. Allmählich dämmerte ihm, dass er in der Klemme steckte.
»Was hab ich denn falsch gemacht?« Er sah erst mich, dann Lacy an. »Ich hab dir doch erklärt, warum ich zu spät gekommen bin, Baby. Mein Vater hat angerufen, als ich eben losgehen wollte. Der übliche Vortrag über gute Noten und so weiter.«
»Ach ja? Dein Dad? Oder vielleicht doch eher Brent Westwood?« Lacys Lächeln glich dem eines Löwen, der mit einem Mitternachtsimbiss liebäugelt.
»Westwood?« Ryan wollte aufspringen, aber ich hatte ihn eisern im Griff. Gegen meine Vampirkräfte kommt ein Sterblicher nicht an, schon gar nicht, wenn ich wütend bin. »Ich weiß nicht, wovon du redest, Lacy.«
»Und ob du das tust, wo du doch in letzter Zeit so gern mit Ungeziefer spielst!«
»Was soll das nun wieder heißen? Lass mich los, Glory.« Ryan versuchte, meine Hände abzuschütteln. Sein Gesicht war rot angelaufen. »Lacy, Schätzchen, du kennst mich doch in- und auswendig.«
»Ach ja? Nun, das werden wir gleich sehen.« Lacy riss ihm die Brille von der Nase.
»Nicht!« Er griff danach, doch Lacy hatte sich damit bereits aus seiner Reichweite entfernt. »Du weißt doch, dass ich ohne Brille praktisch blind bin«, jammerte er und versuchte, sich aus meinem Griff zu befreien. Als das nicht gelang, trat er mir ans Schienbein.
»Verflucht!« Jetzt hatte ich aber die Nase voll. Ich sah ihm tief in die Augen. Er hatte keine Chance, sich zu wehren. Binnen Sekunden hatte er sich beruhigt, und ich konnte seine Gedanken lesen. Lacy ebenfalls, ich erkannte es an ihrer gequälten Miene.
»Sprich deine Gedanken laut aus, Ryan«, befahl ich, wohl wissend, dass das Verhör für Lacy um einiges schmerzvoller werden würde als für mich. Aber wir würden es gemeinsam hinter uns bringen. Immerhin kämpfte ich um mein Leben und um das Leben meiner Freunde. Gegen Westwood. Unsere Wunden konnten wir später lecken.
» Unsere Wunden?«, zischte Lacy und warf mir einen bösen Blick zu.
»Entschuldige.« Ich sollte dringend ein Seminar zum Thema Taktgefühl besuchen. Natürlich war diese Angelegenheit
für mich nur halb so schlimm wie für sie. Ich hatte Ryan sympathisch gefunden; sie war bis über beide Ohren in ihn verliebt gewesen.
Ausgerechnet jetzt begann Ryan loszuplappern. »Oh Gott, oh Gott, ich muss hier raus, ehe diese Blutsauger über mich herfallen. Ich setz mein Leben doch nicht für ein bisschen Vögeln aufs
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