Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
ihrem Teller lag.
»Vielleicht vier Gänge Brokkoli«, erwiderte sie, »gefolgt von einem ProTrain-Brombeer-Shake zum Nachtisch?«
Doch in Wahrheit war das Mahl, das ihnen kredenzt wurde, weitaus opulenter.
Als Amuse-Gueule gab es eine Brunnenkressesuppe und danach eine sehr dekadente, aber sehr leckere Foie gras. Der Hauptgang bestand wahlweise aus Seebarsch oder Steak, und zum Nachtisch gab es einen Obstsalat, der jedoch aus einer derart vielseitigen und reichhaltigen Auswahl an Früchten zubereitet war, dass dieses normalerweise schlichte Dessert in völlig neue Sphären erhoben wurde; Alex war sicher, mindestens acht Fruchtsorten in ihrer Schale zu haben, die sie noch nie zuvor probiert hatte und die sie mit der Gabel herauspickte, um sie Björn zu zeigen und zu fragen: »Was ist das denn?«, und meistens kannte er die Antwort.
»Sie wissen unglaublich viel für einen Menschen, der noch so jung ist.«
»Ich bin eben neugierig«, entgegnete er achselzuckend. »Jedenfalls glaube ich definitiv nicht, dass Unwissenheit selig macht.«
Und dann legte er seinen Löffel ab, stützte sein Kinn in die Hand und sah sie ernst an. »Sie meinen, ich bin jung?«
»Verglichen mit mir ja.«
»Wie alt sind Sie, Alex?«
»Fast dreißig.«
»Dreißig ist doch nicht alt.«
»Warten Sie mal ab, bis es bei Ihnen so weit ist, und blicken Sie dann zurück. Dann werden Sie mir zustimmen, dass einundzwanzig jung ist und dreißig im Vergleich dazu steinalt.«
»Man ist so alt, wie man sich fühlt.«
»Aber man ist auch so alt, wie es sich aus dem Geburtsdatum in der Geburtsurkunde ergibt.«
»Wann sehen wir uns schon jemals unsere Geburtsurkunde an?«
»Das ist auch wieder wahr. Aber wir feiern unsere Geburtstage, als ob das Verstreichen der Zeit etwas wäre, über das man sich freuen kann.«
»Die Zeit bringt auch Gutes mit sich, wie Weisheit, neue Erfahrungen, neue Freunde …«
»Neue Falten, graue Haare …«, fügte Alex hinzu.
»Ist das nicht ein kleiner Preis, den wir zu zahlen haben? Können Sie sich vorstellen, auf der Stelle zu treten und nie imstande zu sein, sich weiterzuentwickeln?«
»Ich würde sagen, das hängt davon ab, an welchem Ort man auf der Stelle tritt.«
Er nickte langsam, ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen und stimmte ihr schließlich zu. »Und mit wem«, fügte er leise hinzu.
Und dann wurden sie von einem Aufruhr am Nebentisch abgelenkt.
Das Essen war so gut wie beendet, die Band hatte angefangen, Tanzmusik zu spielen, und die Leute waren bereits dabei, die Tanzfläche zu bevölkern oder sich zu den Gästen an den anderen Tischen zu gesellen.
Seamus und Danny, die beide kräftig dem Alkohol zugesprochen hatten, standen sich plötzlich in einem engen Gang zwischen zwei Tischen gegenüber und stellten ihr übliches pfauenhaftes Machogehabe zur Schau. Sie standen Nase an Nase, beziehungsweise, sie hätten Nase an Nase gestanden,
wenn Seamus nicht einen halben Meter kleiner gewesen wäre als Danny. Sie waren wieder einmal auf Konfrontationskurs, hatten die Fäuste geballt und die Muskeln angespannt wie zwei sich feindlich gesinnte Hunde und wurden nur durch die Leine zurückgehalten, die in ihrem Fall die Gefahr darstellte, von einem Wettkampf ausgeschlossen zu werden, was ihre aufbrausenden Temperamente zugleich besänftigte und befeuerte.
»Nicht schon wieder«, seufzte Alex und sah sich sofort nach der ProTrain-Polizei um. »Was ist bloß los mit den beiden? Legen sie es denn mit aller Kraft darauf an, vom Wettkampf ausgeschlossen zu werden? Warum hassen sie einander so?«
»Ob Sie es glauben oder nicht - weil sie sich so sehr ähneln«, erwiderte Björn und stand auf. »Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment.«
Zum Glück war er bei ihnen, bevor irgendjemand anders etwas von dem sich anbahnenden Streit mitbekommen hatte, und zu Alex’ Erstaunen hatte er sie innerhalb kurzer Zeit so weit, dass sie lachten und sich die Hände schüttelten.
Alex kam zu dem Schluss, dass seine Talente bei der Armee vergeudet wären. Er sollte sich lieber dem Friedenskorps anschließen.
Da sie viel zu beschäftigt damit war zuzusehen, wie Björn sich seinen Weg zurück durch den überfüllten Saal bahnte und immer mal wieder stehen blieb, um jemandem mit seinem sympathischen Lächeln und diesen funkelnden Augen Hallo zu sagen, hatte Alex gar nicht bemerkt, dass ein ihr wohl bekannter Mann sein Gesäß auf dem frei gewordenen Stuhl neben ihr geparkt hatte.
Es war Bentley. Er sagte jedoch
Weitere Kostenlose Bücher