Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
sich, denn wie Tim klargestellt hatte, kochten sie immer noch mit Gas, war die Atmosphäre sogar noch angenehmer als mit elektrischem Licht.
»Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ein paar Änderungen vorzunehmen«, sagte Joe lachend, als er an Remys und
Frazers Tisch kam, ihnen Wein nachschenkte und seinen Blick über das volle Restaurant und die selig lächelnden Gesichter seiner Gäste schweifen ließ. Doch dann ertönte aus der Küche plötzlich ein lautes Scheppern, als einer der Kellner im Dämmerlicht stolperte und einen Stapel Geschirr fallen ließ.
»Oder vielleicht besser doch nicht.«
»Keine Sorge. Ich habe Ihre Hummersuppe in Sicherheit gebracht, bevor der Kellner seine Bruchlandung hingelegt hat.« Tim war mit einer Terrine an ihren Tisch getreten. »Wir wissen doch, wie süchtig Sie nach dieser Suppe sind, und wollen Sie auf keinen Fall enttäuschen.«
Bildete sie sich das nur ein, oder hatte sie gerade gesehen, wie Tim Joe bei diesen Worten einen verschmitzten Blick zugeworfen hatte? Und dann ertappte sie ihn, wie er Joe zuzwinkerte und wie Joe sein Zwinkern mit einem Stirnrunzeln und einem angedeutetem Kopfschütteln erwiderte, und da wusste sie, dass sie es sich nicht einbildete. Sie war komplett durchschaut worden.
»Wenn ich weiter so viel von der Suppe esse, werde ich bald selber aussehen wie ein Hummer«, scherzte sie und war froh, dass ihre Schamesröte in dem schummrigen Kerzenlicht nicht zu erkennen war.
»Ich würde sagen, schuld ist der Strand und nicht die Suppe«, entgegnete Joe lachend.
»Wie bitte?«
»Na ja …«, er streckte die Hand aus und tippte vorsichtig ihre Nasenspitze an, »die hier scheint mir eine Spur zu rosig … Haben Sie heute ein Sonnenbad genommen?«
»Ich habe fast den ganzen Tag auf einer Decke am Strand verbracht«, erwiderte Remy und fiel angesichts des unerwarteten Hautkontakts beinahe in Ohnmacht.
»Das klingt ja himmlisch«, sagte er lächelnd. »Ich wünschte, ich wäre auch da gewesen.« Und Remy, die sich ebenfalls
wünschte, dass er da gewesen wäre, wurde plötzlich und unerklärlicherweise von einem Schüchternheitsanfall ereilt. Ihr Mund brachte kein einziges Worte mehr heraus, und sie vergrub ihr Gesicht in ihrem großen Weinglas, woraufhin er die Gelegenheit, dass sie nichts mehr sagte, leider nutzte, um neue Gäste zu begrüßen und sie zu ihrem Tisch zu führen.
Frazer hatte dieses Problem offenkundig nicht. Er hatte Tim mit der Beharrlichkeit eines Fischers, der von der Hafenmauer aus nach Seebarsch angelt, in ein Gespräch verwickelt. Er hatte von einem der Kellner, mit denen er ein paar nette Worte gewechselt hatte, erfahren, dass Felix für einen Tag zu einem Fotoshooting nach London geflogen war, weshalb er wild entschlossen war, die Gelegenheit zu nutzen, auf den Mann, dem er den Spitznamen Tim Torso verpasst hatte, einen guten Eindruck zu machen.
»Sie könnten selber als Model arbeiten«, stellte er an Tim gewandt fest, als dieser Suppe in die beiden Teller füllte.
Tim strahlte über das Kompliment. »Als ich jünger war, habe ich es versucht, so habe ich Felix ja kennengelernt, aber ich war nicht mit dem Herzen bei der Sache.«
»Bei was sind Sie denn mit dem Herzen dabei?«
»Meine Leidenschaft ist das Essen.«
»Ihre Leidenschaft?«, hakte Frazer nach und setzte eins von Alex’ besten Erzähl-mir-mehr-Gesichtern auf.
»Ja, absolut. Der Mensch muss essen, um zu überleben. Warum also sollte man das Essen nicht zu einem so erfreulichen, abwechslungsreichen und interessanten Ereignis machen wie nur irgend möglich? Es gibt auf dieser Welt hervorragendes Essen in Hülle und Fülle - warum also sollten wir nicht so gut essen, wie wir können? Klar, die meisten Menschen müssen dabei auf ihren Geldbeutel achten, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass es auch nur einen Grund gibt, sich mit Junkfood vollzustopfen. Ich weiß, dass einige Leute behaupten, Bioprodukte
seien zu teuer und ihren Preis nicht wert, aber da bin ich gänzlich anderer Meinung: Bio ist ein Muss. Wer will seinen Körper schon mit Chemikalien vollpumpen? Ich glaube absolut an das alte Sprichwort ›Man ist, was man isst‹; man kann schon am Gesicht und am Körper eines Menschen erkennen, wie er sich ernährt …«
Frazer, der mit Freuden einen Marsriegel pro Tag verdrückte und auch eher zu oft bei McDonald’s einkehrte, nickte eifrig und versuchte, nicht an den Berg Pfannkuchen mit Sirup zu denken, den er am Morgen zum Frühstück verputzt
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