Echten Maennern gibt man ein Kuesschen - Roman
viktorianisches Herrenhaus zu karren, das einst von einer respektablen Familie bewohnt wurde und jetzt das Zuhause einer Reinkarnation von Kleopatra, Superman, diversen Verschwörungstheoretikern, Carrie, Jason und drei Napoleon Bonapartes ist.«
Alex lachte entschuldigend. »Tut mir leid, aber du wirkst so aufgekratzt … und …«
»Eigentlich sollte ich Trübsal blasen?«, beendete Remy den Satz und lächelte trocken. »Ich weiß, aber ich habe wirklich genug geheult, bevor ich mit dir in dieses Flugzeug gestiegen bin. Ich finde, ich habe genug Tränen wegen eines Mannes vergossen.«
»Aber du und Simon … ihr wart doch so lange zusammen. Was geschehen ist, muss dich doch furchtbar verletzt haben, Rem, und es muss immer noch wehtun, wie kannst du das einfach ausschalten? Und so gut aufgelegt sein?«
Remy zuckte die Achseln.
»Soll ich dir was sagen? Ich weiß es nicht, wirklich nicht. Es tut ja noch weh, und wenn ich zulasse, dass ich darüber nachgrüble …« Sie holte tief Luft, als wollte sie einen körperlichen Schmerz unterdrücken. »Aber was soll das bringen? Es wäre doch, als würde ich eine Wunde aufkratzen oder in einem Bluterguss herumstochern, ein absolut sinnloses und selbstzerstörerisches Unterfangen. Was ich sagen will, Lex, ist Folgendes: Ich weiß inzwischen, dass ich nach vorne schauen muss. Zumindest hat die Art und Weise, wie die Beziehung zwischen Simon und mir endete, ein Gutes. Ich weiß definitiv, dass es aus und vorbei ist, endgültig. Es ist nicht so, als wäre er mit einer anderen Frau durchgebrannt, und der Neuheitsfaktor würde vielleicht irgendwann in absehbarer Zukunft abklingen,
und er würde kapieren, was für ein Idiot er war, so etwas Gutes fallengelassen zu haben, und wieder angekrochen kommen. Simon hat einen Schritt getan, der sein Leben für immer verändern wird. Er hat sich geoutet, und jetzt gibt es kein Zurück mehr. Also ist es das Beste für mich, es einfach zu akzeptieren und nach vorne zu schauen.«
»Oh Rem …«, begann Alex und wollte fortfahren, ihr zu sagen, wie tapfer sie sei, doch Remy, die genau wusste, was jetzt kommen würde, hob die Hand und brachte sie zum Schweigen.
»Mit Tapferkeit hat es nichts zu tun, es ist reiner Selbsterhaltungstrieb. So, und jetzt sterbe ich vor Hunger. Wo bleibt das Frühstück im Bett, das uns laut Programm versprochen wurde?«
Zusammen mit dem Frühstück und den Morgenzeitungen wurde noch etwas gebracht.
Eine Hochglanzbroschüre.
»Der ProTrain-Wettkampf«, verkündete der neonblaue Titel auf dem Cover; auf der Innenseite des Covers war Jeccas Rede vom Vorabend abgedruckt, doch das war alles, es gab keinen weiteren Text. Die komplette Broschüre hatte nur gut zehn Seiten, und auf jeder einzelnen DIN-A4-Seite befand sich ein Ganzkörperfoto jedes einzelnen Wettkampfteilnehmers.
Splitterfasernackt.
Na gut, splitterfasernackt, wenn man sich die Flagge wegdachte, die strategisch geschickt um ihren jeweiligen Genitalbereich drapiert war.
Jecca war ein Risiko eingegangen. Die Fotos hätten als absolut geschmacklos rüberkommen können. Doch die Broschüre war gut gemacht. Das Ganze schrie danach, dass keine Kosten gescheut worden waren; die Fotos waren auf edlem Seidenpapier gedruckt und mit einer kräftigen Hochglanzschicht versehen, sodass sie hervorstachen wie Polaroidbilder. Und die Aufnahmen selbst? Sie waren einfach umwerfend. Die Fotos
waren allesamt vor dem Hintergrund Jerseys aufgenommen, was bedeutete, dass sie in den vergangenen paar Tagen gemacht worden sein mussten; spektakuläre Schauplätze in einer markanten, wunderschönen Landschaft. Aber nicht so markant und schön wie die Männer selbst. Alex ertappte sich dabei, dass sie beim Anblick jedes einzelnen Fotos die Luft anhielt.
Sie fragte sich, wer der Fotograf war. Er war besser als nur gut. Frazer würde beim Anblick der Bilder grün vor Neid werden.
Remy, die häufig mit Bärenhunger, der auf einen Alkoholrausch folgte, mehrere Croissants mit Himbeermarmelade verschlungen hatte, sah von ihrem Teller auf.
»Was ist das?«
»Noch etwas, das deinen Appetit anregt.«
Alex legte die Broschüre auf den Balkontisch zwischen ihnen, sodass auch Remy mit hineinsehen konnte.
»Es funktioniert«, witzelte Remy und zeigte erst auf das Foto von Seamus McGarian und dann auf das seines Kameraden Danny McDougal. »Ich nehme den und den.« Sie beugte sich vor, schnappte sich die Broschüre, blätterte die dicken Glanzpapierseiten hastig durch und fuhr fort:
Weitere Kostenlose Bücher