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Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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bestimmen kannst. Ist das nicht toll?! Das ist doch genau das Richtige für dich! Probiere es einmal aus und du kommst nicht mehr davon los. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.
    Eine Frage stellt sich dabei noch: Woher weiß ich, dass mein Partner im Netz nicht genau dasselbe Spiel spielt? Woher weiß ich, dass Andreas wirklich ein Mann war, der auf fette Weiber steht? Vielleicht war er ja gar kein Mann, sondern eine frustrierte, betrogene Ehefrau und Büroangestellte, die es irgendeinem fremden Weib da draußen in der Welt heimzahlen möchte. Weil sie zu feige ist, die Geliebte ihres Mannes in Salzsäure aufzulösen? Weil sie doch nicht ins Gefängnis möchte. Und auf diese seltsame Weise doch ihre Aggressionen irgendwie kanalisieren kann? Woher weiß ich das? Die Antwort lautet: Es gibt dafür keine Sicherheit. Und auch das ist ein Teil der Faszination. Ist eine Frau in Wirklichkeit Andreas? Oder ist er doch er selbst? Wer will es sagen? Bekommst du diese E-Mail wirklich von mir, Isabell? Oder von Stefan, der dich auf diese Weise testen will. Was du wirklich denkst. Über ihn … über das Leben und alles, was geschehen ist?
    Keine Sorge. Kleiner Scherz. Ich bin es wirklich. Die Sache mit dem »Carlos Primero« auf Ibiza kenne wirklich nur ich. Und du. Du kannst beruhigt weiterlesen. Die Wahrheit, dass du niemals weißt, wer dir schreibt, bis du dich nicht entschließt, diese Person, die dich da erreicht hat, kennen zu lernen. Von Angesicht zu Angesicht. So wie die Menschen das seit hunderten von Millionen Jahren tun. Man geht hinaus aus seiner Höhle und schaut jemandem in die Augen. Dann bleibt man oder man geht. So einfach ist das. Aber wer schaut einem heute noch in die Augen? Geh doch mal durch die Straßen und versuche, jemandem in die Augen zu schauen. Eislaufen in der Sahara ist leichter. Also bleibt man in seiner Höhle und blickt abwehrbereit durch die Sehschlitze in der Ritterrüstung nach draußen. Im Internet.
    Das Internet ist meine Rüstung, die nichts an mich heranlässt, was ich nicht in meinem Leben haben will. Und meine E-Mails sind meine Sehschlitze, durch die ich hinausblicken kann. Und entscheiden, was ich zu mir hereinlasse. Ganz einfach.
    Aber es gibt noch einen Weg, um herauszufinden, ob die Figur, mit der du im Netz kommunizierst, echt ist oder ein Bluff. Die Verzweiflung. Es ist die Verzweiflung, die dir zeigt, ob jemand als er selbst schreibt. Oder als Kunstfigur. Das ist eine Sache, die du erst im Lauf der Zeit heraushören kannst. Erfahrung. Früher nannte man das Erfahrung und Menschenkenntnis. Heute nennt man das »scannen«. Du »scannst« nach ein paar tausend E-Mails ziemlich genau, wer mit einer gewissen Lust an seiner Maskerade zu schreiben beginnt und wer nicht. Diejenigen, bei denen du spürst, dass sie total verzweifelt sind und das natürlich auf das Tollste überspielen – die sind die Echten!
    Wenn dir einer verzweifelt nahe legt, dass er dich in seiner Wohnung, in seiner Badewanne liegen haben möchte, mit nichts anderem bekleidet als den Haarwicklern seiner Mutter, dann kannst du relativ sicher sein, dass das echt ist. Der Typ weiß natürlich, wie krank die Nummer ist und wird sich pausenlos entschuldigen und erklären dafür. Damit du Mitleid bekommst und es vielleicht doch tust. Wenn er aber in den buntesten Farben davon schwärmt, wie hinreißend dir die gelben und rosa Plastikröllchen in deinem Haar stehen werden, dann kannst du sicher sein, dass er blufft. Oder »sie«. Einfach nur, um zu sehen, ob es tatsächlich jemanden gibt, der auf diesen Schwachsinn abfährt und darauf einsteigt.
    Wir können ja einmal ein paar Testmails schicken. Ich schicke dir ein paar besonders ausgefallene Skurrilitäten, die mir so einfallen und du sagst mir, was echt sein könnte und was nicht. Du wirst es niemals wissen, wann ich dir schreibe oder … sagen wir … Eduard, der mit dir nach Edinburgh fahren möchte, um dir auf dem Grab seiner Vorfahren einen Heiratsantrag zu machen. Weil das einzige, was ihn an einer Frau interessiert und fasziniert, ihre Sommersprossen sind. Kleiner Scherz. Also gut. Ein Tipp. Wenn du das Codewort »Sommersprossen« liest, weißt du, die E-Mail kommt von mir. Ist das gut so? Dann haben wir ein Geheimnis miteinander. Du und ich.
    So wie früher. So wie in der Zeit, in der wir noch über alles gesprochen haben. Jeden Tag. Stundenlang. Und wenn eine von uns beiden mal nicht da war, dann haben wir telefoniert. Stundenlang. Ich finde das schöner als

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