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Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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Ahnung, was ich davon lernen sollte. Ist ihm ein Vorwurf zu machen? Ist dir ein Vorwurf zu machen? Keiner von uns hat all das absichtlich inszeniert. So ist das Leben. Auch ein kluger Satz.
    Ist dir schon mal aufgefallen, dass alle schönen, klugen Sätze unter dem Strich eine Aufgabe haben? Sie sollen uns darüber hinwegtrösten, dass es keinen erkennbaren Sinn gibt … in den Schmerzexplosionen des Lebens. Das ist alles. Es gibt keinen Sinn.
    Gut … man könnte jetzt argumentieren, dass alles Leben in Anhaftung an Freude und Lust nur zu Schmerzen führen wird, sobald Freude und Lust vergehen … und damit beginnen wir den Dalai und Siddhartha zu verstehen … aber die Konsequenz ist, alles Leben zu vermeiden, um nicht mit Schmerz konfrontiert zu werden und daraus folgt die Konsequenz, kahl rasiert vor einer Wand zu landen.
    Na super. Darum sollte man besser überhaupt nicht geboren werden. Genau das strebt Buddha ja an. Gar nicht mehr wiederzukommen. Die höchste Stufe ist dann logischerweise, überhaupt kein erstes Mal hier aufzutauchen! Na super! Und nie einen Kuss zu fühlen und ein Herz, nach dem du dich sehnst?! Nein, Freunde! Ohne mich. Lieber Schmerzen empfinden als nichts mehr empfinden! Grandioser Satz. Nach dem habe ich dann begonnen zu leben und mir erst einmal den Busen vergrößern lassen!
    Ja! Wirklich. Nicht neidisch werden. Auch ich habe jetzt einen C-Cup! Ist ein bahnbrechendes Erlebnis. Ich verstehe dich. Wirklich. Es ist, als ob man davor ein Schattendasein geführt hätte. Die Männer haben Auffahrunfälle an der Kreuzung. Das ist das offensichtlichste Ergebnis. Und mein Selbstbewusstsein ist enorm gestärkt. Wenn der Typ an der Supermarktkasse sich zu vertippen beginnt. Oder meinen Bekannten in der Wellblechbaracke die Bierdose aus der Hand fällt. Du weißt doch, wie oft ich dich kopiert habe, mein Schatz. Diesmal in vollem Bewusstsein. Und ich habe es nicht bereut. Auch wenn es der reinen Spiritualität etwas im Weg steht. So ein C-Cup-Ding.
    Das habe ich bei meinem Tantrakurs erfahren müssen. Nachdem ihr abgefahren seid aus meinem Leben und dieser Stadt und ich meinen Nervenzusammenbruch auskuriert hatte, habe ich einen Tantrakurs belegt.
    Ach so, das mit dem Nervenzusammenbruch habe ich dir ja noch nicht erzählt. Das war sehr aufregend. Wirklich. Sollte jeder mal haben. Man kommt in Grenzbereiche, die kein Chivas Regal und kein Moricone bringen. Wirklich! Also, drei Tage nachdem alles aus war … wirklich alles. Du weg … er weg … Kein Bild … Kein Ton … habe ich am Abend plötzlich so ein leichtes Jucken im Blut gespürt. Kann Blut jucken?! Ich sage dir, Isabell – es kann! Mein Blut hat leise gejuckt, als hätte man mir fünf Liter Champagner hineingefüllt. Dann ist mir schwindelig geworden und ich bin ins Bett gegangen. Dort bin ich fünf Tage gelegen. Tag und Nacht. Mit kurzen, extrem kräfteraubenden Expeditionen zur Toilette. In der ich am vierten Tag für sieben Stunden gelegen bin. Am Boden. Danach habe ich beschlossen, doch einen weichen Teppich zu besorgen. Danach. Nach meinem Nervenkoma. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Ich hatte ungefähr 47 Grad Fieber und war am Tag halb schlafend und in der Nacht hellwach. Mein Körper hat innen geglüht und sich von außen eiskalt angefühlt. Ich bin nur dagelegen und habe meinen Herzschlag gehört. In meinen Wangenknochen. Bis dorthin hat sich die Resonanz ausgedehnt. Na gut. Ich bin dagelegen und habe mir gedacht: »Auch eine Art, sieben Kilo abzunehmen.«
    Am Ende der ersten Woche habe ich nämlich sieben Kilo abgenommen gehabt. Ich habe den Himmel gesehen, der sich in meiner Zimmerdecke geöffnet hat. Ich habe in die Hölle geblickt, als in der dritten Nacht der Fußboden begonnen hat zu schmelzen. Und den Blick freigegeben hat in die Abgründe der Hölle. Das alles war mir wie in einem Film, der in meinem Kopf abläuft. Und gleichzeitig war dieser Film rund um mich auf alle Atome projiziert, die mich umgeben haben. Ein einschneidendes Erlebnis. Ich habe am Anfang dieser Reise geglaubt, ich hätte eine Lebensmittelvergiftung, dann dachte ich an einen verschleppten Herzinfarkt. Malaria war noch die lustigste Diagnose.
    Am dritten Tag ist es mir gelungen, mich zum Telefon zu schleppen und die Rettung zu rufen. Die haben mich mit großen Augen angesehen und ein EKG gemacht und meine Lungenfunktion überprüft und nachdem das alles im grünen Bereich war, hat der erstaunt blickende Chefsanitäter gemeint: »Das ist Malaria! Sie

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