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Echtzeit

Titel: Echtzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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ich schon zehn Jahre alt. Und dann hat er mich immer von seiner Pfirsichbowle kosten lassen. Die mochte ich überhaupt nicht. Ich mochte es nicht, wie der Alkohol geschmeckt hat und ich mochte es nicht, von dem Glasrand zu trinken, an dem seine Lippen dran gewesen waren. Aber das hat er absichtlich gemacht. Ich weiß es. Er hat immer geschaut, von welcher Stelle ich getrunken habe und dann hat er genau dort auch getrunken und mir danach das Glas genau so wieder an den Mund gehalten. Genau so, dass ich wieder von seiner Stelle trinken musste.
    Und dann, eines Tages hat er mir seine Hand unter den Rock geschoben und mit meiner Muschi gespielt. Ich weiß es. Meine Mutter hat gesagt, er hat nur ein Pfirsichstück von meinem Kleid weggenommen, das aus dem Glas gefallen war. Das hat sie gesagt, nachdem ich zu ihr gelaufen war, damit sie mir hilft und mich beschützt.
    Aber sie hat nur gelacht und dem Onkel Rudolf einen Klaps auf die Hand gegeben und gesagt, er soll nicht »so schlimm sein – die Susanna erzählt sonst wieder Märchen«. Da hat auch der Onkel Rudolf gelacht und sein Glas leer getrunken.
    Ich habe mich nicht mehr ausgekannt. Ich habe nicht gewusst, was jetzt Spaß ist und was nicht und bin in mein Zimmer gelaufen und hab mich auf mein Bett gelegt und ein wenig geweint. Ich hab gehofft, dass jemand kommt und mich tröstet. Aber die waren alle so lustig, dass mich keiner vermisst hat. Ich weiß aber genau, dass ich nicht gelogen habe. Er hat das Pfirsichstück absichtlich aus dem Glas gefischt und auf meinen Rock fallen lassen. Und dann hat er seinen Finger abgeschleckt und ihn mir langsam unter den Rock geschoben und ein wenig in die Muschi hinein. Ich hab das nicht erfunden. Wirklich nicht.
    Und dann bin ich dagelegen und habe aus dem Fenster geschaut. Und in meinem Zimmer war es dunkel. Ich habe immer meine Nachttischlampe abgedreht. Um besser in den Himmel schauen zu können. Andere Kinder haben Angst im Dunkel … ich nicht. Ich wollte immer die Sterne sehen. Draußen vor dem Fenster und den Mond … und dabei bin ich eingeschlafen. Meine Eltern sind dann irgendwann in der Nacht zu mir gekommen und haben mich zugedeckt. Davon habe ich aber nichts gemerkt, weil ich so tief geschlafen habe. Und geträumt.
    Ich habe als kleines Mädchen immer wieder denselben Traum gehabt. Ich liege in meinem Bett und ein Mann kommt zu mir. Er legt sich zu mir in das Bett und ich lege meinen Kopf auf seine Brust und er umarmt mich. Ich spüre seine warmen Hände auf meinem Rücken und seinen ruhigen Atem auf meiner Wange. Er riecht sehr angenehm und ich habe ihn sehr lieb. Das habe ich geträumt. Oft.
    Und im Traum bin ich dann eingeschlafen. In seinen Armen. Ja. So etwas hat die kleine Susanna geträumt, Isabell. Stell dir vor. Woher das gekommen ist, weiß ich nicht. Sehnsucht. Irgendwelche Bilder, die ich in irgendwelchen Filmen im Fernsehen mitbekommen habe … Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass dieses Gefühl ganz tief in mir gelagert war.
    Wie ein Senkblei. Wie ein Anker, der nur darauf wartet, am Grund einen Felsen zu finden, an dem er Halt findet. Und Stefan war mein Felsen. Bei ihm habe ich mich so gefühlt wie damals in meinen Träumen. Er war der Mann, auf den es in mir gewartet hat. Viele, viele Jahre lang. Ich bin in dieser Nacht dagelegen und habe ihm davon erzählt: Ganz lange … leise. Er hat mir zugehört und das Fenster neben dem Bett war offen. Ich konnte die Sterne sehen. Die ganze Nacht lang. So lange, wie wir geredet haben. Er hat mir zugehört und gesagt, dass er daran glaubt, dass zwei Seelen einander begegnen können, bevor sich die Körper, in denen sie leben, zum ersten Mal treffen. Er hat gesagt, dass es gut sein kann, dass wir eine Seelenreise gemacht haben. Er hat gesagt, dass er mich vielleicht besucht hat. Damals als ich ein kleines träumendes Mädchen war. All das hat er gesagt. In dieser Nacht, in der ich ihm meine Wahrheit erzählt habe. Ja. Solche Nächte gibt es. Das weißt du ja, Isabell. Und dann ist alles anders gekommen. Ganz anders. Ich werde nie vergessen, wie der Blitz eingeschlagen hat. Bei mir! Bei dir! Bei ihm! In unserem Leben.
    Das ist schon sehr seltsam. Dass es dagegen wirklich kein Mittel gibt. Ich habe sehr oft in meiner Wut und in meiner Traurigkeit geweint und geschrien: »Warum hast du ihn mir weggenommen, Isabell? – Warum?« Aber hast du ihn mir weggenommen?! Kann man nicht nur etwas wegnehmen, das sich wegnehmen lässt?
    War dieser Mann nur ein Stück

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