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Ed King

Ed King

Titel: Ed King Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Guterson
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Hauptrolle, erfüllte ihn mit einem Selbstekel, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. »Hör auf zu heulen«, sagte Diane. »Wir haben ja noch achtundvierzig Stunden Zeit. Zwei Tage, an denen ich mich umentscheiden kann.«
    Walters Magen krampfte sich zusammen. »Ich weiß nicht«, sagte er panisch. »Ich glaube nicht, dass du dich jetzt noch anders entscheiden kannst. Ich bin mir nicht sicher.«
    Diane zog ihre Knie an die Brust und hielt sie fest umklammert. »Aber sicher kann ich das«, sagte sie. »Achtundvierzig Stunden. Nach dem Gesetz stehen mir achtundvierzig Stunden zu.«
    »Schon richtig«, sagte Walter, »aber das ist nur, weil die Leute sentimental werden. Sie sehen das Baby, werden gefühlsselig und verlieren ihre Objektivität, Diane, sie sind ganz verwirrt und können nicht mehr klar sehen, und bei Frauen – das ist tatsächlich so – spielen die Hormone völlig verrückt. Es ist wirklich für niemanden ein glücklicher Zeitpunkt, irgendeine Entscheidung zu treffen, ganz bestimmt nicht.«
    »Es ist genau andersherum, Walter. Erst wenn die Hormone ins Spiel kommen, weißt du, was du wirklich willst.«
    Der Satz klang überhaupt nicht nach einem Teenager. Seine Reife war seltsam, sogar verblüffend, aber war das in diesem Moment von Bedeutung? Die ganze Sache konnte jetzt womöglich aus dem Ruder laufen, jetzt, wo er so nahe daran war, heil zu entkommen. »Diane«, sagte er, »sei bitte vernünftig. Da draußen wartet eine Familie auf ihr Baby. Du kannst nicht nur an dich denken.«
    »Wirklich komisch«, erwiderte Diane. »Ausgerechnet du willst mir sagen, ich dürfe nicht nur an mich denken.«
    »Hör zu«, sagte Walter. »Ich bin kein schlechter Mensch. Ich verstehe, was du über Gefühle sagst. Dein Standpunkt ist völlig korrekt, nur ist jetzt nicht die richtige Zeit.«
    »Es ist genau die richtige Zeit«, hielt Diane ihm entgegen. »Ich habe achtundvierzig Stunden Bedenkzeit, die mir von Rechts wegen zustehen. Wenn du als der leibliche Vater eingetragen wärst, Walter – ja? –, dann könntest du von einem Gespräch zwischen zwei Personen reden, die beide an der Entscheidung beteiligt sind. Aber du bist nicht eingetragen, Walter. Du magst zwar der leibliche Vater sein, aber du bist nicht eingetragen. Wenn es so wäre, könnten wir vielleicht nach einer gemeinsamen Lösung suchen, aber du bist es nicht, also halte dich da raus. Und ich meine das ernst.«
    »Ich habe zwar nicht wie Lydia norwegische Vorfahren«, sagte Walter, »aber ich kann dazu nur uff da sagen.« Und damit ließ er sich hart auf einen Stuhl fallen.
    »Welche Lydia?«, fragte Diane.
    Was jetzt? Sollte er einen Psychologen dazuholen? Jemanden von der Adoptionsagentur? Mehr Geld? Alles keine guten Ideen.
    Walter ging in die Krankenhaus-Cafeteria, in der Hoffnung auf die richtige Eingebung bei einem Burger und Pommes. Als auch der Burger nichts half, stellte er sich noch einmal an der Theke an und holte sich einen Karamellpudding. Beim Essen stellte er im Kopf eine Liste von »Pros« und »Kontras« auf. Sollte er zurückgehen und weiter mit ihr reden? Versuchen, Diane zur Vernunft zu bringen? Sie an ihren Traum erinnern, eines Tages aufs College zu gehen, was vermutlich nicht geschehen würde, wenn sie das Baby behielte? Sollte er ihr einAngebot machen? Sie fragen, wie viel sie wolle? Sie geradeheraus fragen, wie viel Geld sie verlange, damit sie an ihrem Plan festhielten? Oder sollte er ihr ins Gewissen reden? Er konnte sich schon reden hören, während er im Kopf einige Sätze ausprobierte: Du ermöglichst dem Kind ein besseres Leben . Auf gar keinen Fall. Wenn man jemandem etwas versprochen und eine feste Vereinbarung geschlossen hat, hat man eine moralische Pflicht, sein Wort zu halten . Ach was, auch das würde nichts bringen.
    Sie war ein junges Ding, aber das hatte er von Anfang an gewusst, als sie das Spiel des Lebens gespielt hatten. Schlau und gefeit gegen jede Beeinflussung. Stets wachsam, rational, abwägend. Wie würde sie reagieren, wenn es hart auf hart käme, dieses Mädchen aus einer englischen Familie, das es gewohnt war, sich allein durchzubeißen? Er hatte nicht die leiseste Ahnung. Er konnte es nicht sagen.
    Niedergeschlagen, aber bewaffnet mit einer Packung Erdnussbutterkekse, kehrte er auf die Entbindungsstation zurück, um sein Anliegen vorzutragen. Am liebsten mochte Diane Snickerdoodles, weich in der Mitte und mit einer dicken Zimtschicht, aber die gab es nicht, nicht einmal etwas in der Richtung,

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