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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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fing an zu weinen. Ich konnte ihr das nicht verdenken. Sie hatte Gründe genug zum Weinen. Am liebsten hätte ich mitgeheult. Ich fühlte mich dieser Gemma Courtney nahe, obwohl wir uns gerade erst kennen gelernt hatten: Unsere Lebensgeschichten hatten uns zu Verwandten gemacht. Ich suchte in der Tüte mit den Fotos nach dem Brief. Schließlich fand ich ihn. Er war auf die linierte Seite eines Schulhefts gekritzelt.
     
    Liebling, es tut mir Leid, dass ich dir so wehgetan habe. Aber ich musste einfach gehen. Stell dir vor, du bekommst die Möglichkeit, an eine Kreuzung zurückzukehren, an der du schon einmal warst. Du musstest dich entscheiden, und du hast den falschen Weg gewählt. So ist es mir gegangen. Das war, bevor wir uns kennen gelernt haben, aber
    danach konnte alles nur noch falsch sein.
    Jetzt habe ich eine zweite Chance bekommen, und ich habe mir gesagt: Ich darf’s nicht nochmal versauen. Ich weiß, dass es schwer ist, aber du bist ohne mich besser dran und die kleine Gemma auch. Pass gut auf sie auf Du warst doch immer unglücklich ohne deine Arbeit. Jetzt kannst du in den öffentlichen Dienst zurückgehen, und deine Ma kann auf die Kleine aufpassen. Irgendwann werden wir alle zurückschauen und uns fragen, was die ganze Aufregung eigentlich sollte.
    Gott schütze dich,
    Kenny
     
    »War Ihre Mutter im öffentlichen Dienst?«
    »Bei der Schulbehörde. Aber sie hat ihre Stelle nicht wiederbekommen. Sie hatten sie schon neu besetzt, und sonst war nichts zu haben. Außerdem hielt ihre Mutter sie wohl für eine Art Flittchen, nachdem Dad abgehauen war … Sie wissen schon, wenn der Mann geht, muss die Frau irgendwie schuld sein. Sie hat sich geweigert, ihr zu helfen. Wahrscheinlich hätte sie irgendwann eingelenkt, aber Ma hat den Kontakt abgebrochen. Dann hatte sie niemanden mehr, der auf mich aufpasst, keine Unterstützung, keine Arbeit, kein Garnichts. Und es ging nur noch bergab mit uns beiden.«
    »Was ist passiert?«
    »Schnaps, Pillen … keine gute Mischung. Sie war ein paarmal im Krankenhaus. Irgendwann hatte sie raus, wie viele Pillen sie braucht, damit es klappt. Sie hat sie aufgehoben und alle auf einmal geschluckt. Sie war jünger als Dad, erst Mitte vierzig. Und sie sah noch jünger aus.«
    Gemma stand auf und ging in die Küche, und ich hörte das metallische Rauschen des Wasserkessels. Plötzlich erklang Lärm, Musik und eine Stimme, die verkündete: »Nachrichten auf Sky TV.« Es war so laut, als stünde der Apparat im selben Zimmer. Gemma steckte den Kopf um die Ecke.
    »Das ist nur die Alte von 37, die ist halbtaub. Immer noch besser als die Typen auf der anderen Seite, der Junge will DJ werden. Aber die sind zurzeit in Urlaub.«
    Die Nachrichten krakeelten weiter. Ich dachte an Mrs. Burke, die letzte Überlebende des alten Viertels Fagan’s Villas, und an ihren Fernseher, der von exhumierten Leichen geplärrt hatte, von Ermittlungen über den Tod hinaus. Sie hatte meinen Vater und seine Freunde »die drei Musketiere« genannt, und hier saß ich nun und sah mir ein Foto von ihnen an. Es war ein unversehrter Abzug des Fragments, das ich in der Tasche mit mir herumtrug. Der Fehlende war tatsächlich Kenneth Courtney. Und John Dawson war an allem schuld. Es war seltsam, die drei Männer zusammen zu sehen, den Mörder und seine beiden Opfer. Dawson hatte ein etwas markanteres Kinn, ein fleischigeres Gesicht, einen kälteren Blick und schien körperlich kräftiger, Courtney hatte tiefer liegende Augen und vollere Lippen. Aber zunächst fiel nur auf, wie ähnlich die beiden einander sahen: Man hätte sie zwar nicht für Zwillinge gehalten, aber sie sahen aus wie Brüder. Und da war mein Vater, mit erhobenem Glas und funkelnden dunklen Augen. Die vier lächelnden Mädchen hinter ihnen wirkten so fehl am Platz wie eine Tanzgruppe bei einer Beerdigung.
    Gemma kam mit frischem Tee zurück und warf einen Blick auf die Uhr.
    »Ich habe um zehn einen Kunden, Sie sollten bald gehen«, sagte sie.
    »Das ist mein Vater, Eamonn Loy, und ein Mann namens John Dawson«, sagte ich.
    Sie sah sich John Dawson an.
    »Mein Gott, der sieht ja genau so aus wie Dad! Und Sie glauben wirklich, er hat die zwei umgebracht?«
    »Ja, das glaube ich. Gemma, hat Ihre Mutter je von meinem Vater oder von John Dawson geredet?«
    »Ma kannte Dads alte Freunde nicht. Er war eine Zeit lang in England, hat da auf dem Bau gearbeitet und Geld gespart. Als er wieder hier war, haben sie sich irgendwo beim Tanzen kennen gelernt, ich

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