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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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sehen, und ich dachte mir, dass sie wohl noch nicht von der Arbeit zurück war. Ich beschloss zu duschen, das würde mich wieder so weit nüchtern machen, dass ich ins Hennessy’s zurückgehen und weitertrinken konnte. Schließlich bekam man nicht alle Tage sein Abschlusszeugnis.
    Der Boiler war an, was ungewöhnlich war, aber immerhin gab es dadurch heißes Wasser. Eine richtige Dusche hatten wir nicht, man konnte nur am Badewannenhahn eine Sprühvorrichtung aus Plastik anbringen, die denselben Zweck erfüllte. Ich wusch mir die Haare, spülte mir den Dreck aus dem Hennessy’s vom Körper und dachte darüber nach, wie stolz meine Mutter sein würde, wenn sie von meinen Noten erfuhr. Mein Vater war im April abgehauen, es war still im Haus ohne seine alkoholgeschwängerten Wutausbrüche, seine Tobsuchtsanfälle, sein Schmollen und seine mürrischen, verbitterten Nörgeleien. Er war nicht erst so unausstehlich geworden, seit er sein Geschäft verloren hatte. Er war schon immer so gewesen. »Dein Vater ist ein zutiefst enttäuschter Mensch« , hatte meine Mutter immer gesagt, ab ob das alles erklären würde. Bisher hatten weder sie noch ich uns eingestanden, wie erleichtert wir waren, dass mein Vater nicht mehr da war, wie gleichgültig es uns im Grunde war, wo er steckte, und wie sehr wir hofften, dass er niemals zurückkommen würde, aber ich glaube, wir empfanden es beide so. Vor allem meine Mutter wirkte viel glücklicher ab früher, jünger und lebhafter.
    In meinem Zimmer zog ich mir saubere Sachen an. Mein Rucksack war gepackt, mein Pass und das Flugticket lagen in der Schreibtischschuhlade, daneben Dollars und ein paar Travellerschecks. Ich zählte die Dollarscheine noch einmal durch, um sicherzugehen, dass auch kein besonders wählerischer Dieb eingebrochen war und ein paar davon gestohlen hatte. Da hörte ich plötzlich ein Geräusch aus dem Elternschlafzimmer. Ich ging auf den Flur hinaus und klopfte an die Tür. Keine Antwort. Ich drückte die Klinke, aber es war abgeschlossen. Ich rief nach meiner Mutter, klopfte heftig an die Tür und rüttelte an der Klinke. Von drinnen hörte ich eindringliches Flüstern, Schritte, dann öffnete meine Mutter die Tür. Sie trug einen rosafarbenen Morgenmantel, den ich noch nie an ihr gesehen hatte. Das Haar fiel ihr strähnig ins Gesicht, ihre Lippen wirkten voller, der Lippenstift war verwischt, und sie hatte Tränen in den von zerlaufener Wimperntusche verschmierten Augen. Sie sah ängstlich aus, schluckte krampfhaft und versuchte, etwas zu sagen, brachte aber nur ein einziges Wort heraus: meinen Namen. Ich ging ins Zimmer hinein und sah auf der anderen Seite des Bettes einen Mann stehen. Er drehte mir den Rücken zu und steckte sich das weiße Hemd in die dunkelblaue Anzughose. Er hatte dichtes weißgraues Haar und roch nach Moschus und frischen Kiefernzweigen.
    Ich starrte meine Mutter an. Ihr Blick versuchte zu erklären, flehte mich um Verständnis an. Aber ich wollte nicht verstehen, was John Dawson in ihrem Bett verloren hatte. Ich drehte mich um, ging in mein Zimmer, holte meinen Rucksack, den Pass, das Geld und das Ticket und rannte nach unten.
    Die Nacht verbrachte ich auf einer Bank am Flughafen. Am nächsten Morgen flog ich nach London und von dort weiter nach L. A. Am Abend nach meiner Ankunft in Kalifornien servierte ich Bier und Whiskey im Mother MacGillacuddy’s. Ich ging nie mehr nach Hause zurück.
    ***
    Ich stand immer noch im Darm, rauchte und starrte auf das Foto von John Dawson und meinem Vater, als das Handy klingelte. Rory Dagg war dran.
    »Ich muss mit Ihnen reden. Mir ist da ein Fehler unterlaufen. Jetzt habe ich herausgefunden, dass das neue Rathaus in Seafield doch ein Dawson-Auftrag war«, sagte er.
    Klar. Ich nickte, und plötzlich wurde mir ein wenig schwindelig. Meine Hände fingen an zu zittern. Ich steckte das Foto wieder in die Tasche, drückte die Zigarette aus und atmete ein paarmal tief durch.
    »Hallo? Mr. Loy? Sind Sie noch dran?«
    »Ja, ich bin noch dran. Wo finde ich Sie, Mr. Dagg?«
    Er gab mir seine Adresse, und ich sagte, ich sei in fünf Minuten bei ihm.
    Auf dem Weg zum Wagen ließ ich einen Gedanken Gestalt annehmen, den ich mir verboten hatte, seit ich den Betonleichnam gesehen hatte: Hatte John Dawson meinen Vater umgebracht und die Leiche versteckt, um mit meiner Mutter zusammen zu sein? Hatte meine Mutter etwas mit dem Tod meines Vaters zu tun? Und wenn sie tatsächlich gemeinsam Blut an den Fingern hatten –

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