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Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut

Titel: Ed Loy - 01 - Blut von meinem Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Declan Hughes
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hingekriegt. Nur hab ich einfach gesagt: Vergiss es, Mann, und bin abgehauen. Fünf Jahre haben wir praktisch kein Wort geredet. Und als wir wieder geredet haben … war er schon weg, verstehen Sie? Einfach … weg.«
    Dagg stützte die Unterarme auf den Aktenschrank und ließ den Kopf hängen.
    Ich blätterte in dem Tagesjournal. Jede Eintragung war in gestochen scharfer Handschrift vorgenommen und mit »R. Dagg« unterschrieben. Ich sah mir die Unterschriften an und verglich sie mit denen auf den gerahmten Bauplänen. Sie waren absolut identisch. In dem Regal unter dem Bett standen zehn weitere braune Journale. Ich zog eines heraus: dieselbe gestochene Handschrift, ähnlich detaillierte Einträge und unter jedem die Unterschrift »R. Dagg«. Aber in diesem Buch wirkten die Unterschriften freier, weniger akribisch.
    »Wo hat er die Journale aufbewahrt?«, fragte ich Dagg.
    »Zu Hause«, sagte er.
    »Und die Pläne? Wo waren sie?«
    »In seinem Büro in Dawsons Firma. Sie hatte ihren Sitz früher an der Victoria Terrace. Warum?«
    »Ich weiß es nicht. Wo war Ihr Vater her?«
    »Wo er her war?«, wiederholte Dagg.
    »Ja. Wissen Sie das etwa nicht?«
    »Aus Clondalkin, aus der Monastery Road.«
    »Ganz sicher?«
    »Absolut.«
    »Hatte er noch Familie? Geschwister vielleicht?«
    »Nein.«
    »Wollen Sie mir sonst noch etwas sagen?«
    Offenbar eine ganze Menge, aber das würde ich an diesem Abend wohl nicht mehr zu hören bekommen. Er wich meinem Blick aus. Also überließ ich ihn dem Whisky, den er sich jetzt nachschenkte, und seinem sorgsam gepflegten Selbstmitleid.
    Die Sonne war bereits hinter Castlehill versunken. Im Vorgarten war niemand mehr. Ich knipste mit Daumen und Zeigefinger eine Lavendeldolde ab, rieb sie zwischen den Händen und sog den Duft tief ein. Ich musste den Gestank von Selbstmitleid aus der Nase kriegen, das von Dagg sowie mein eigenes. Seit langem unterdrückte ich eine ganze Weltgeschichte von Gefühlen für meinen eigenen Vater, und während Dagg erzählte, hatte ich gespürt, wie sie alle wieder hochkamen. Ich erinnerte mich daran, wie stolz er auf meine guten Leistungen in der Schule gewesen war und wie verwirrt gleichzeitig, weil sein Sohn in etwas glänzte, was ihm immer schwer gefallen war. Und ich überlegte, ob er wohl heute stolz auf mich wäre – und wunderte mich dann über diesen Gedanken.
    Unter meinem Scheibenwischer steckte ein Zettel. Er roch ebenfalls nach Lavendel, aber vielleicht gaben auch nur meine Hände den Duft an alles ab. Es stand eine Handynummer darauf und darunter, in Druckbuchstaben, die im Augenblick geradezu unvermeidlichen Worte: FAGAN’S VILLAS. Ich ging zurück zum Gartentor. Das Licht in der Garage war ausgeschaltet, die Jalousien geschlossen. Dagg schien sich bereits zur Nacht zurückgezogen zu haben. An einem Fenster im oberen Stockwerk stand seine Frau. Ich winkte ihr mit dem Zettel zu, und sie wandte sich ab.
    * **
    Alles ging auf Fagan’s Villas zurück, und endlich machte auch ich mich auf den Weg dorthin. Ich schlenderte durch die hufeisenförmige Sackgasse mit ihren hässlichen, schuhkartonartigen Reihenhäusern. Man hatte sie ursprünglich als kleine Vierzimmerhäuschen errichtet, mit schmutzig grauen Kieselfassaden, ohne Bad und mit Außentoiletten. Inzwischen hatte fast jedes Haus einen nochmal so großen Anbau, es gab Dachfenster für die ausgebauten Speicher, Terrassen in den Gärten und überall nagelneue Autos vor der Tür.
    Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wo genau meine Mutter gewohnt hatte und wo mein Vater, John Dawson oder seine Frau Barbara. Aber sie alle waren hier aufgewachsen und mit dem Makel behaftet gewesen, aus »den Villas« zu kommen. Sie hatten darauf gebrannt, wegzuziehen, weiterzukommen und alles hinter sich zu lassen. Heute wurden die Häuser an Familien verkauft, die sich deshalb glücklich schätzten. Für sie war Fagan’s Villas das Ziel, nicht der Startpunkt. Das lang ersehnte Zuhause.
    Zwei Häuser hatten keinen Anbau und keine neuen Fenster. Das eine befand sich genau in der Mitte des Hufeisens und ließ die Nebenhäuser durch den fehlenden Flügel schief wirken. Ich ging durch den Vorgarten, aber noch bevor ich an der Tür war, sah ich auf dem Boden neben dem Zaun ein »Verkauft« -Schild liegen. Eine blonde Frau um die dreißig öffnete mir. Sie hielt ein Baby auf dem Arm, erwartete ein zweites, und in der kleinen Diele stapelten sich braune Kartons mit den Aufklebern einer Umzugsfirma. Ich wusste nicht mehr,

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