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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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dir sehe, das meiner Meinung nach Respekt verdient. Wenn ich nicht von Liebe spreche, dann vielleicht deshalb, weil ich Liebe nicht für so wichtig halte.«
    »Was ist denn dann wichtig?«
    »In einer Ehe? Gemeinsame Empfindungen, gemeinsame Interessen und ein gemeinsames Ziel.«  
    »Das klingt nicht gerade romantisch.«
    »Willst du, dass ich dir romantische Mädchenträume von der großen Liebe vorspiele? Soll ich vor dir auf die Knie sinken? Soll ich dir sagen, dass ich dich wunderschön finde? Ich hatte gedacht, du wärst über solch bedeutungslose Gesten hinaus.«
    In Wahrheit wäre mir so eine Inszenierung wohl lieber gewesen, aber dafür war es jetzt zu spät. Stattdessen wiederholte ich meine Frage. »Was ist, wenn ich mich weigere?«
    Yuji nickte. »Nun, dann würden wir getrennte Wege gehen. Ich wäre nicht dein erklärter Gegner, obwohl ich nicht vergessen könnte, dass du mir den einen Gefallen nicht tun wolltest, den du mir schuldest.«
    »Yuji, bitte mich um irgendwas anderes, egal um was!«
    »Es gibt nichts anderes, das ich von dir will.« Seine Stimme war so ruhig wie immer, und das brachte mich auf die Palme.
    »Was du von mir verlangst, ist mehr als ein Gefallen. Du weißt sehr gut, dass das nicht fair ist, wenn du mit so einer Bitte zu mir kommst.«
    »Warum ist das nicht fair?« Allmählich klang Yuji so frustriert, wie ich mich fühlte. »Weil ich dich mag, möchte ich mich mit dir zusammentun, anstatt dich zu vernichten. Reicht dir das nicht? Bei Menschen wie uns sind Eheschließungen Geschäftsangelegenheiten, mehr nicht. Mein Vater dachte so, und dein Vater würde dir dasselbe sagen, wenn er noch am Leben wäre.«
    Alles, was er sagte, klang vernünftig, nur dass er damit komplett danebenlag.
    »Warum soll das nicht fair sein?«, wiederholte Yuji.
    »Weil es um mein Herz geht!«
    »Weil du jemand anderen liebst?«
    »Warum sollte dich das interessieren, Yuji? Du willst meine Liebe eh nicht. Du willst nur meine Zustimmung zu deinen Plänen.« Ich machte mich auf den Rückweg zum Haus. Yuji hielt mich an der Schulter fest.
    »Anya, denk heute Nacht über meinen Vorschlag nach. Denke an deine Lage. Und an die Lage deiner Schwester und deines Bruders. Das ist nicht als Drohung gemeint, sondern eine schlichte Feststellung von Tatsachen. Ich war dein treuer Freund, und ich würde gerne noch mehr sein, wenn du das zuließest.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie gesagt, denke heute Nacht darüber nach. Bevor ich wieder fahre, komme ich noch mal zu dir.« Yuji verbeugte sich, dann griff er in seine Jacke und zog einen kleinen Stapel Papier hervor, der von einem roten Band zusammengehalten wurde. »Hier, das ist dein Geschenk.«
    »Was ist das?«
    »Briefe«, sagte er. »Von deiner Familie und deinen Freunden. Simon Green hat sie gesammelt, damit ich sie dir gebe.«
    Ich nahm das kleine Bündel entgegen. Noch nie hatte ich einen Papierbrief von jemandem bekommen. »Danke«, sagte ich. »Ich danke dir wirklich sehr.«
    »Wenn du heute Abend noch die Antworten schreibst, kann ich die Briefe nach Amerika bringen, auch wenn ich im nächsten Monat auf keinen Fall hinkommen werde. Deinen Bruder müsste ich aber sehr bald sehen.«
    Ich wusste nicht, ob ich Yuji noch vertrauen konnte, bedankte mich aber dennoch für das Angebot.
    Yuji war bereits auf dem Weg zurück zum Haupthaus, um sich von den Marquez’ zu verabschieden, als ich merkte, dass ich meine Machete zwischen den Bäumen liegengelassen hatte. Ich sagte zu Yuji, wir würden uns später sehen, und lief zurück aufs Feld. Auf der Lichtung stand Theo, meine Machete in der Hand. Er schaute verlegen drein.
    »Theo!«, rief ich. »Warst du die ganze Zeit da hinten?«
    Anders als sonst reagierte Theo nicht.
    »Hast du das gesamte Gespräch mitgehört? Hast du mir nachspioniert?«
    »Hör zu, Anya, so ist das nicht. Ich bin euch nur nach draußen gefolgt, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist. Ich kenne diesen Yuji nicht besonders gut.«
    »Du hast mir nachspioniert!«
    »
Perdóname.
Das geht mich gar nichts an.«
    »Theo!« Mein Herz raste. Am liebsten hätte ich ihn erwürgt. »Dann weißt du also, wer ich bin. Du kennst meinen Namen.«
    Er seufzte.
    »Sag meinen Namen, Theo!«
    »Anya, ich weiß schon seit Wochen, wer du bist. Als du mir erzählt hast, dass deine Familie umgebracht wurde, konnte ich mir alles zusammenreimen. Warum habe ich wohl nur den ersten Buchstaben deines Nachnamens in den Griff der Machete geritzt, was meinst

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