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Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kronenberg
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verraten
werden. Kann ich dich allein lassen?«
    Er könne
unbesorgt fahren, versichert sie.
    »Ruh dich
eine Weile aus, Norma!« Mit dieser Bitte nahm er den Karton auf.
    »Willst
du die Batschkapp nicht gleich mitnehmen?«, fragte sie verwundert.
    »Jetzt nicht,
ich hole sie heute Abend ab.« Er wollte sich zuerst um die Knochenanalyse kümmern.
    »Sag doch
gleich, dass du einen Vorwand brauchst, um noch einmal nach deiner Patientin zu
sehen«, meinte sie leichthin.
    Er lächelte.
»Du hast mich durchschaut. Darf ich trotzdem vorbeikommen?«
    »Wie Sie
meinen, Herr Doktor. Bis später!«
    Sie schaute
ihm nach, bis er in seinen Wagen gestiegen war. Dann schloss sie die Mütze wieder
im Schrank ein und ging nach oben in ihre Wohnung. Nach einer ausgiebigen Dusche
und einem kleinen Mittagsessen fühlte sie sich in der Lage, das Auto ohne Schwächeanfall
die vier Kilometer bis Schierstein zu steuern. Dieses Mal hatte sie Glück. Henriette
Medzig öffnete nach dem dritten Klingeln.
    Ihr Blick
war misstrauisch. »Schickt Sie Ihr Schwiegervater?«
    »Nein, wieso
sollte er?«
    »Weil ich
ihm endgültig abgesagt habe. Wir haben das Weingut einem anderen Interessenten versprochen.
Mein Sohn hat mich überzeugt. Wir verkaufen an den Hotelier, und ich ziehe in eine
vornehme Seniorenresidenz. Oliver hat mir dort eine bildhübsche Wohnung ausgesucht.«
    Ihre Miene
wirkte entschieden. Lutz war sicherlich enttäuscht. Andererseits waren ihm selbst
Zweifel gekommen. Norma machte sich darauf gefasst, dass er die Suche nach einem
Domizil erneut starten werde.
    Sie spähte
in die Diele hinein. »Eigentlich möchte ich zu Ihrem Sohn. Ist er da?«
    »Oliver
hat Frühschicht und will nach Feierabend bei einem Winzer aushelfen. Was wollen
Sie von ihm?«
    Hautreste
aus dem Rasierapparat oder ein paar bewurzelte Haare aus dem Kamm würden vollends
genügen. Nur, dass sie das nicht verlangen könnte, ohne das Skelett zu erwähnen
und die arme Henriette in helle Aufregung zu versetzen. Ihr stünde sowieso noch
Schlimmes bevor, sollte Oliver als Vatermörder enttarnt werden.
    Ob sie kurz
hereinkommen dürfe, bat Norma stattdessen. »Sofern Sie einen Augenblick Zeit für
mich haben.«
    Henriette
lud sie in die Küche ein und schwärmte von der Wohnung in der Seniorenresidenz,
in der sie mit allem versorgt wäre. Und Oliver von aller Verantwortung befreit,
dachte Norma bissig.
    Henriette
besann sich auf ihre Gastfreundschaft. »Möchten Sie einen Tee, Frau Tann?«
    »Sehr gerne!«
    Während
sich die Hausherrin um Wasserkocher und Teekanne kümmerte, bediente Norma unter
dem Tisch heimlich das Handy. In der Hoffnung, Lutz möge sein Mobiltelefon erstens
in der Nähe und zweitens ausnahmsweise eingeschaltet haben, verschickte sie per
Kurznachricht eine kryptische Aufforderung. Ohne große Erwartungen, allerdings.
Doch kaum stand die Teekanne auf dem Tisch, meldete sich auf der Fensterbank der
altmodische Telefonapparat. Henriette stürmte zum Fenster und griff nach dem Hörer.
Schlagartig verstummte das ohrenbetäubende Bimmeln. Sie nannte ihren Namen und lauschte
kurz in den Hörer, um sich danach Norma zuzuwenden.
    »Ihr Schwiegervater!
Er will noch mal reden.«
    Norma erhob
sich. »Na, so ein Zufall. Dürfte ich inzwischen Ihr Bad benutzen?«
    »Bitte.
Sie wissen, wo es ist.«
    Henriette
zog am Spiralkabel, setzte sich aufs Kanapee und widmete ihre Aufmerksamkeit dem
Telefongespräch. Norma ließ die Küchentür offenstehen, durchquerte den Flur und
schlich sich hinaus in die Hausdiele. Hoffentlich hatte die Mutter sich nicht getäuscht,
und der Sohn machte sich oben einen faulen Nachmittag. Auf Zehenspitzen pirschte
sie die Treppe hinauf. Aus der unteren Wohnung war Henriette zu hören, die sich
in ihrer Entscheidung nicht beirren lassen wollte. Die Treppe endete auf einer Empore
mit sechs weiß lackierten Kassettentüren. Unten ging es inzwischen um das Riesenweinfass.
Für eine Sauna?, fragte Henriette mit hörbarer Ungeduld. Wie er das Fass überhaupt
herausbekommen wolle? Zu Bauzeiten habe man eine entsprechende Öffnung in der Decke
gelassen. Ob er das Gewölbe aufbrechen wolle?, schimpfte sie aufgebracht. Sogar
in zwei Hälften zersägt, sei das Riesentrumm. Henriette war beschäftigt – Lutz erfüllte
seinen Auftrag perfekt.
    Lautlos
huschte Norma über das Parkett. Was war das? Ein leises Klingeln. Sie blieb stehen
und lauschte angestrengt. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Möglicherweise war
der Laut von unten, vom Hof gekommen.

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