Edelsüß: Norma Tanns vierter Fall (German Edition)
registriert.
Aus dem Barcode ist nur die Postagentur ersichtlich, in der es abgegeben wurde.«
Timon nickte
nachdenklich. »Das Risiko musste er eingehen.«
»Leider
hat es uns bisher nicht weitergebracht. Ist der Schädel dabei?«
»Nein.«
Sie seufzte
genervt. »Entweder kommt der Kopf mit der nächsten Sendung. Sozusagen als Sahnehäubchen.
Oder …«
»… unser
Päckchenpacker behält den Schädel wegen des Zahnprofils«, vollendete Timon ihren
Gedanken.
Norma nickte.
»Das mit den Zähnen weiß jeder, der Fernsehkrimis schaut. Ich warte ganz sicher
nicht tatenlos auf die nächste Sendung. Ich muss endlich wissen, ob es tatsächlich
Ewald Medzig ist.«
Timon blickte
sie aus hellwachen Augen an. »Gestern Abend hast du mir erzählt, was du herausgefunden
hast. Vieles spricht für Ewald Medzig. Er war, wie deine Zeugen sagen, schwerhörig
und hatte Schmerzen in den Gelenken. Vorausgesetzt, es ist dein Winzer und jemand
hat das Skelett entdeckt. Warum werden die Knochen verschickt? Und weshalb ausgerechnet
jetzt?«
»Jemand
muss das Skelett loswerden. Weil es nicht bleiben kann, wo es fast drei Jahrzehnte
gelegen hat.«
»Hmm.«
»Timon,
würdest du im Weingut Adebar eine noch so alte Leiche herumliegen lassen, wenn möglicherweise
Bautrupps dort demnächst jeden Ziegelstein umdrehen?«
»Mag sein.
Aber hast du mir nicht selbst erzählt, der Winzer sei in seinen Lieblingswald gefahren,
um sich dort das Leben zu nehmen?«
So stehe
es in den Akten, bestätigte sie. »Allerdings hat der Nachbar nicht Ewald am Steuer
gesehen. Karl Bennefeld hat jemanden gesehen, den er für Ewald gehalten hat. Hier
kommt dieses zeitlose Accessoire ins Spiel.«
Von der
Schiebermütze hatte sie ihm noch nichts gesagt. Sie schloss den Schrank auf, holte
das Fundstück heraus und fasste zusammen, was es damit auf sich hatte.
»Du hast
die Batschkapp bei Angela Bennefeld entdeckt«, wiederholte Timon nachdenklich. »Könnte
es sein, dass Angela auf das Skelett gestoßen ist? Und die Mütze, die bei den Knochen
lag, als Beweisstück aufheben wollte?«
»Kannst
du feststellen, ob Mütze und Knochen zusammengelegen haben?«
Das ließe
sich im Labor überprüfen. Timon sprang auf und begann, im Büro auf und ab zu gehen.
»Folgende Hypothese: Mister X ermordet Ewald Medzig. Die Leiche versteckt er. Damit
es nach Selbstmord aussieht, setzt er sich Ewalds Mütze auf und kutschiert den Wagen
in den Wald. Er kehrt zu Fuß zurück und packt seine Tarnkappe zur Leiche.«
»Warum wirft
er die Batschkapp nicht in den Müll?«, wandte sie ein.
Timon zuckte
die Achseln. »Weil er das Versteck für sicher hält und nicht riskieren möchte, dass
die Mütze woanders entdeckt wird.«
Norma spann
den Faden weiter. »Die Pistole! Sie lag im Nachttisch. Ist das die Mordwaffe?«
Timon stoppte
seinen Marsch durchs Büro. »Auf jeden Fall werde ich die Knochen sorgfältig auf
Schussspuren untersuchen. Jetzt fehlen uns nur noch Täter und Motiv.«
Norma genoss
das Fachsimpeln. Es half, die Gedanken zu klären. »Ich hätte Oliver Medzig zu bieten.
Er war zwar erst 17, wurde aber sein Leben lang vom Vater misshandelt, schikaniert
und gedemütigt.«
»Damals
gab es noch keinen Führerschein mit 17.«
Norma lächelte.
»Na und? Als Winzerlehrling konnte er Schlepper fahren. Ich wette, wie so viele
Jugendliche auf dem Land ist auch er schon heimlich Auto gefahren. Noch in der Nacht
tippt er auf der Schreibmaschine seines Vaters den Abschiedsbrief und krakelt die
Signatur darunter. Jeder weiß, dass der Winzer ungern von Hand schreibt, seit er
dabei Schmerzen hat.«
Wo könnte
er die Leiche versteckt haben? Der riesige Keller kam ihr in den Sinn mit all seinen
düsteren Ecken und Winkeln. Wer weiß, ob es nicht noch mehr vergessene Geheimgänge
gab?
»Wir brauchen
unbedingt Olivers DNA!«
Timon stimmte
ihr zu und nahm seine Wanderung wieder auf. »Welche Rolle spielt Angela? Wollte
sie Oliver mit der Batschkapp erpressen? Indem sie drohte, das Skelett unter die
Leute zu bringen? Das wäre ein Motiv für einen Mord.«
»Erpressung
in Verbindung mit Habgier! Oliver will aus dem Weingut Kapital schlagen, was Angela
niemals zugelassen hätte. Dummerweise hat deine Theorie einen Schönheitsfehler.
Angela war bereits tot, als die erste Knochenpost auf Reisen ging.«
Timon blieb
stehen. »Schluss mit den Spekulationen. Ich halte mich besser an handfestes organisches
Material. Davon verstehe ich mehr. Ich bin gespannt, was uns die Knochen
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